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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Habichtstal ließ beide Freunde aufhorchen. »… Wegen heimtückischen Totschlages wurde er für drei Jahre aus dem Gerichtsbezirk verbannt, davon ist erst eines verstrichen.« Gemurmel erhob sich in der Menge. Ulf Einarsson ließ es zu, mehr noch, er schürte die Empörung: »Vier Morde! Da kommt ein Fremder nach Island und bringt vier Männern den Tod.«
    »Gerechtigkeit!« Mit schnellen Schritten trat Thorbjörn vor. Mit erhobener Faust schrie er: »Ich verlange Gehör! Zu Unrecht bringt der geschätzte Ulf die Klage aus dem Habichtstal hier zur Sprache. Sie ist längst gesühnt, er selbst hat die Strafe verhängt …«
    »Schweig!«, unterbrach ihn der Oberste Richter. »Ich rufe dich, wenn deine Zeit gekommen ist.« Den Ankläger warnte er. »Die erste Verurteilung gehört nicht auf diesen Thing!«
    Der Gode zeigte sich betroffen. »Dann bitte ich die Versammlung zu vergessen, was ich über die schändlichen Morde im Habichtstal gesagt habe.«
    Blass vor Zorn kehrte Thorbjörn zu den Freunden zurück. »Dieser Fuchs«, flüsterte er vor sich hin. »Alle Geschworenen wissen es jetzt.«
    Oben auf dem Felsen hob der Ankläger wieder die Stimme: »Ich verlange, dass Erik der Rote um dieser Klagesache wegen ein geächteter Friedloser werden muss, den niemand nähren, niemand bekleiden und dem niemand Schutz gewähren darf. Ich erkläre ihn seines Hab und Gutes für ledig. Sein Besitz soll zur Hälfte dem Thorgest zufallen und zur anderen Hälfte den Geschworenen, die nach dem Gesetz das Hab und Gut einzuziehen haben. Dies mache ich vor aller Ohren kund.«
    Klatschen und Rufen der Zuhörer, Rasseln wurden geschlagen, schnell bestimmten sie den Rhythmus der Begeisterung: Die Klagerede war gut vorgetragen und vor allem für jedermann verständlich gewesen. Ein Fremder hatte es gewagt, den Frieden zu stören. Für einen überführten Mörder gab es keinen Platz in der Gemeinschaft. Verächtliche Blicke trafen Erik und die kleine Gruppe seiner Gefolgsleute.
    Inzwischen hatte Ulf Einarsson seinen erhöhten Platz verlassen und stand jetzt neben dem Obersten Richter vor dem Opferstein. Auf dessen Wink hin näherte sich der Breidabauer. Er grinste hämisch und hustete, hütete sich aber, den zähen Schleim auszuspucken. Seine Zeugen wurden aufgerufen. Nacheinander betraten sie den heiligen Bereich. Jeder nannte Name und Herkunft, sodann musste er die Hand auf den Eisenring neben der Blutschale legen und die Richtigkeit der Anklage beeiden.
    Im Rücken von Thorbjörn, den Freunden und den beiden Gutsherren stießen sich die neu angeworbenen sechs Männer verstohlen an. Ohne Worte wusste jeder, was der Nachbar sich fragte. War es klug, bei dieser Überzahl an Eideshelfern weiter zu dem Beklagten zu stehen? Welcher Schaden würde für sie selbst, würde für die eigene Familie erwachsen?
    Der Großbauer im blauen Umhang nickte in die Runde. Noch hatten sie nicht öffentlich Partei ergriffen. Er schlug die gestickten Adler beiseite, hakte die Daumen in den Gürtel und trat zu Thorbjörn. »Die Lage ist so …« Er sprach von Zweifeln, der Vorfall bei Spitzklipp erschien jetzt doch in einem anderen Licht und mit ehrlichem Herzen könnte er nicht länger für die Unschuld des Roten eintreten. »Ich bitte dich, auch im Namen der Übrigen, entlasse uns als Zeugen.«
    Ehe der Verteidiger antworten konnte, packte Erik in den Stoff des Umhangs, riss den fein Gekleideten näher und stieß ihn gleich wieder von sich weg. »Ein Hammel gehört zu seiner Herde. Verschwinde! Und ihr auch. Ich gebe euch euer Ehrenwort zurück, also habt keine Angst vor mir.«
    »Ich bin nicht gegen dich, das musst du mir glauben. Nur, diesen Prozess wirst du …«
    »Verschwinde!«, knurrte Erik. »Ehe ich wirklich einen Mord begehe.«
    Rückwärts entfernten sich die sechs Männer von der Gerichtsschranke und waren erleichtert, als sie in den Reihen der Menge untertauchen konnten.
    Schmerzhaft pochte das Blut, Tyrkir presste die Hand auf die Narbe. »Was jetzt?«
    Dem hoch gewachsenen Richter rannen Schweißperlen von der Stirn. »Ich werde Einspruch gegen die Klage erheben. Dabei bleibt es.«
    Erik lächelte bitter. »Kaum zu glauben. Dein Schädel ist fast noch härter als meiner. Wir wissen beide, wie das Spiel hier endet. Gut, gut, stehen wir es durch.« Er fasste ihn an der Schulter. »Aber unser Schlaukopf soll Vorkehrungen treffen. Für nachher.«
    Sein Plan stieß weder bei Tyrkir noch den beiden verbliebenen Getreuen auf Widerspruch. Nach kurzem

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