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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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verbannt hat und ausgerechnet ihn hat sich der Kerl zum Prozessführer gewählt.«
    »Bist du sicher?« Thorbjörn benötigte Zeit, ehe er weitersprach. »Dieser Fall ist abgeschlossen. Ich muss verhindern, dass er hier zur Sprache kommt.«
    Als Tyrkir die ratlose Miene sah, nickte er seufzend.
    Den meisten Schreiern vorn an der Absperrung ging der Atem aus, nur wer seine Stimmkraft eingeteilt hatte, der erreichte jetzt das Ohr des Weisen: Das Strandholz sollte gerechter verteilt werden. Wenn ein Bauer zu wenig Heu für den Winter einbringen konnte, sollte der Nachbar ihm aushelfen und dabei nicht den Preis in die Höhe treiben dürfen. Wem gehörte ein Bach? Durfte der nahe einer Quelle wohnende Bauer das Wasser umleiten und so die Wiesen des Hofes weiter unterhalb austrocknen?
    Zunächst schlug der Oberste Richter eine gerechte Lösung vor, wenn die Mehrheit durch Zuruf oder Heben der Faust ihr zustimmte, dann erst entschied er. Das neue Gebot oder die Ergänzung eines alten würde er auf dem nächsten Thing in seinen Gesetzesvortrag mit aufnehmen.
    Mit einer großen Geste legte der Weise die Hand auf den Opferstein. Damit war die allgemeine Fragestunde beendet. Hiernach berührte er neben der Blutschale den nicht zusammengeschlossenen Eisenring.
    »Dies ist der Platz des hohen Gerichts. Wer einen Streitfall vortragen will, der möge nun seine Klage erheben.«
    Ohne Befehl wich die Menge zurück. Nahe der Absperrung blieben nur die beiden ungleich großen Gruppen übrig. Um den Breidabauern hatten sich mehr als dreißig Männer geschart. Er trat ans Seil vor und höhnte in Richtung Erik: »He, Roter! Mit Recht versteckst du dein Gesicht, denn hier stehen ehrbare Isländer. Ja, die Schuld quält dich so sehr, dass du den Kopf nicht heben kannst!«
    Ehe Thorbjörn und Tyrkir begriffen, war Erik an der Gerichtsschranke, schlug seine Kapuze in den Nacken und reckte das Kinn. Mähne und Bart verblassten gegen das Zornrot seines Gesichtes. Er öffnete den Mund, mit erhobener Faust stand er da, Gegner und Gaffer erwarteten seinen Ausbruch, jedoch der Hüne bezwang sich und sagte nichts.
    Anerkennend nickte der Oberste Richter in seine Richtung, dann fuhr er den Bauern an: »Wenn deine Zunge zu lang ist, so beiße sie dir ab. Aber wage es nicht noch einmal, gegen die Thingordnung zu verstoßen!«
    Mit hartem Griff zog der Prozessführer den vorlauten Kläger von der Absperrung weg, sprach mit drohend erhobenem Finger auf ihn ein, erst als er sicher war, dass Thorgest von jetzt ab schweigen würde, begab er sich auf den Weg zum Gesetzesfelsen.
    Am Fuß der grob gehauenen Steintreppe sammelte er sich. Aller Augen ruhten jetzt auf ihm. Nicht nur seine Worte, auch jede Geste hatten Einfluss auf die Entscheidung der Gemeinschaft. Endlich, als wäre ein Ruf aus Walhall an ihn ergangen, warf der Gode das Haar zurück, straffte den Rücken und Stufe um Stufe stieg er hinauf. »Hört! Hört! Thorgest vom Breidahof hat viele Zeugen vor dieses Gericht geladen und mich zu seinem Fürsprecher ernannt. So mache ich kund wider Erik den Roten …«, mit ausgestrecktem Arm wies er in Richtung der kleinen Schar um den Hünen und wartete, bis alle Blicke ihm gefolgt waren, »… wider Erik den Roten eine strafbare Brandstiftung, darum, dass er die Scheune des Thorgest mit Feuerpfeilen angezündet hat. Außerdem mache ich kund wider Erik den Roten einen strafbaren Diebstahl, darum, dass er wertvolles Gut aus einer Lagerhalle des Breidabauern geraubt hat.« Weit vernehmbar schallte die Stimme über den Thingplatz.
    Vorn an der Absperrung hörte Thorbjörn mit unbewegter Miene zu. Der Gegner kannte die vorgeschriebenen Redewendungen, auf einen Formfehler zu hoffen wäre Kraftvergeudung. »Überdies mache ich kund wider Erik den Roten einen strafbaren ersten Angriff, darum, dass er bei Spitzklipp auf Toke Thorgestsson lossprang und ihn verletzte, der Schlag wurde zur Todeswunde für Toke. Ich mache kund wider Erik den Roten erneut einen strafbaren ersten Angriff, darum, dass er bei Spitzklipp auch auf Odd Thorgestsson lossprang und ihn verletzte, dieser Stich wurde zur Todeswunde für Odd …«
    Neben Tyrkir stieß der Freund zischend den Atem aus. »So war’s und war’s doch nicht.«
    »Der Gode sagt nur das, was er von dem Betrüger gehört hat und was dem Betrüger nützt.«
    »Ach, Schlaukopf, lass uns einfach weggehen!«
    »Wehe dir. Denk an deine Frau, an deinen Sohn! Vielleicht geschieht ein Wunder, irgendein Zeichen …«
    Das Wort

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