Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
wir nicht den heiligen Platz verlassen haben!«
Zustimmend nickte der Oberste Richter und ahndete die letzte Bemerkung des Verurteilten nicht. »Damit ist diese Sache abgeschlossen!«, rief er den freien Männern zu. »Wir haben längst nicht alles miteinander besprochen. Vorher aber esst euch satt, doch trinkt nicht zu viel!«
Der Gode vom Warmquellhang schritt hoch erhobenen Hauptes voraus, ihm folgte Erik, den Schluss bildeten die beiden Gutsherren. Obwohl der Breidabauer vor Zorn schnaubte und hustete, mit Handzeichen seine Leute formierte, noch durfte er sich nicht vom Opferstein wegbewegen.
Ungehindert tauchte die Gruppe unter dem Seil her und die Zuschauer gaben eine breite Gasse frei. Diese Gelegenheit nutzte Tyrkir, er löste sich aus der Menge und gesellte sich neben den Freund. Kurz sah Erik zur Seite. »Was ist?«
Nur ein Kopfnicken war die Antwort.
»Das ist gut.« Schneller gingen sie.
Wie es der Brauch vorschrieb, schwappte hinter ihnen das Gedränge wieder zusammen. Der Friedlose sollte genügend Vorsprung haben, um sich vor seinem Jäger zu verbergen. Eine Weile hörten die fünf noch das empörte Geschrei des Thorgest, bis es ganz im Gelächter und Lärmen der Leute unterging.
Nicht zurück in die Zeltstadt, keine Zeit für die wenigen mitgeführten Habseligkeiten, bestimmte Thorbjörn und schickte nur die beiden Gutsherren zu seiner Godenhütte. »Dort bleibt ihr! Morgen hole ich euch nach.«
Im Laufschritt hastete er mit Erik und Tyrkir weiter. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis Thorgest ihnen folgte. Auch wenn die Schonfrist drei Tage währte, Jäger und Meute mussten das Opfer im Auge behalten, sonst kostete es unnötig Zeit und Mühe, seine Spur zu finden. Wer einen Friedlosen tötete, dem gehörte dessen ganzer Besitz; auch mögliche Helfer zu überführen, selbst dafür lohnte sich die Jagd.
Endlich kam der Hafen in Sicht. So spät wie irgend möglich durften die dort lagernden Bootsknechte begreifen, was vor sich ging. Die drei Männer verlangsamten das Tempo. Ehe sie vom Fahrweg hinunter zur Bucht abbogen, blickte sich Tyrkir noch einmal um. »Die Zeit wird knapp.«
Aus Richtung der Zeltstadt preschten Reiter im schnellen Tölt über die Landzunge, zogen Staubfahnen hinter sich her.
»Weiter. Kümmer dich nicht drum!«, knurrte Erik. Mit langen Schritten eilten sie mitten durch das Gelage, am Feuer vorbei und näherten sich der Anlegestelle.
Thorbjörn stieß einen unterdrückten Fluch aus. Sein Seevogel lag noch halb auf dem Strand inmitten der anderen Knorrs. »Bei allen Göttern. Mein Schiff müsste doch längst draußen im freien Wasser sein.«
Erik packte seinen Verwalter im Genick. »Was ist los? Nur das Beiboot sollte auf uns warten, hab ich gesagt. Und wo sind unsere Leute? Verdammt, jetzt wird’s wirklich knapp.«
Mit einem Ruck nach vorn befreite sich Tyrkir aus dem Griff. »Ich hab mir etwas anderes einfallen lassen. Vertraut mir!« Er zog sich an der Bordwand hoch und blieb rittlings auf der Kante sitzen. Im Laderaum kauerten die Knechte. »Habt ihr alles vorbereitet?« Die grinsenden Gesichter genügten ihm. »Dann los jetzt!«
Zugleich erhoben sich die Sklaven, huschten zum Bug und sprangen rechts und links des Drachenkopfes an Land. Den beiden Herren rief Tyrkir zu: »Worauf wartet ihr? Oder wollt ihr mit dem Breidabauern noch einen Schwatz halten?« Kaum verständliche Worte, doch sein Blick zum Gelage unterstrich ihren Sinn: Die Verfolger hetzten bereits den Hang hinunter.
Hastig schwangen sich Thorbjörn und Erik an Deck, schon drückten die Knechte das Schiff vom Strand. Sobald es genügend Wasser unter dem Rumpf hatte, nutzten einige die Ruderpforten in der Wandung als Steigbügel und kaum an Bord, streckten sie den Kameraden hilfreich die Arme hin, bald war auch der Letzte über die Reling gehievt.
Der Knorr löste sich aus der Schiffsreihe, glitt ins freie Wasser, jetzt wurden die Flüchtigen entdeckt und das Geschrei rund ums Feuer wuchs. Befehle! Hin und her stolperten Knechte, Thorgest und dessen Freunde verteilten Fausthiebe, sammelten aus den Betrunkenen nach und nach eine Bootsmannschaft zusammen und trieben sie mit Fußtritten zum Hafen.
Im Heck des Seevogels drückte Thorbjörn die Steuerpinne nach vorn. Langsam drehte sich der Knorr. Die Sklaven hatten auf den Bänken ihre Plätze eingenommen und die langen Ruderstangen durch die Pforten nach draußen geschoben. Leichte Schläge der Blätter auf der linken Schiffsseite unterstützten das
Weitere Kostenlose Bücher