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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Wendemanöver.
    Erik stand neben Tyrkir und beobachtete, wie jetzt auch der Knorr des Breidabauern ins Wasser geschoben wurde. »Rechtzeitig verschwinden, das hatte ich vor.« Er schloss und öffnete die Fäuste. »Keine Wettfahrt. Ach, Schlaukopf, du hast unsere Chance vertan!«
    »Warte ab!« Tyrkir verzog die gesunde Mundhälfte zu einem Grinsen. »Wir sind jetzt schon in Sicherheit.«
    »Was? Ich glaub, auch dein Verstand hat bei Spitzklipp was abbekommen.«
    Gleichmäßig tauchten die Ruderblätter ein, zogen durch, schlitterten dicht über den kräuselnden Wellen wieder nach vorn, tauchten erneut ein und der Seevogel nahm Fahrt auf.
    Die beiden Freunde gingen am Mastbaum vorbei nach achtern. Auf dem Steuerdeck empfing sie Thorbjörn wenig zuversichtlich. »Nur wenn wir den Inselgürtel mit einem kleinen Vorsprung erreichen, schaffen wir es vielleicht, dem Breidabauern zu entwischen. Irgendetwas muss uns doch an diesem elenden Tag gelingen.«
    Erik starrte am Steven vorbei zum Hafen. »Versteh ich nicht.«
    Das Schiff der Verfolger dümpelte immer noch rückwärts in der Bucht. Thorbjörn wandte den Kopf. »Warum … aber sie müssten doch längst gewendet haben?«
    Tyrkir verschränkte die Hände hinter dem Rücken. »Mit einem Steuerblatt wär’s sicher ein Kinderspiel«, sagte er leichthin. »Und allein mit Riemen dauert es etwas länger. Doch wenigstens eins von beiden müsste schon vorhanden sein.« Er schwieg und genoss die verständnislosen Mienen.
    »Schluss damit!«, blaffte Erik.
    »Ganz einfach. Der Kahn schwimmt da vor sich hin, weil Steuerschwert und Ruderstangen am Ende der Anlegestelle fein säuberlich gestapelt hinter einem Steinhaufen liegen.« Tyrkir zuckte die Achseln. Weil er nicht wusste, welcher Knorr dem Breidabauern gehörte, hatte er von den Knechten gleich alle vierzehn Schiffe unbemerkt erleichtern lassen. »Ich sagte ja, wir sind längst in Sicherheit.«
    »Schlaukopf!«, drohte ihm der Rote, er wischte sich die Stirn. »Ach, verdammt. Schlaukopf, du bist doch zu was nütze.«
    Wohin? Weiter hinauf in den Nordwesten? Da warteten unwegsame, kahle Gebirge, sonst nichts, und nirgendwo auf Island war der Winter härter als dort.
    Wohin? Tiefer in den Süden? Da siedelten zu viele Menschen; und ein Friedloser konnte, wenn das Glück ihm half, nur in der Einöde überleben.
    Ja, es gab eine Missetäter-Wüste: erstarrte Lavafelder, so weit das Auge reichte, verborgen in Spalten hier und da etwas Grün um einen Tümpel. Weil sich kein Mensch freiwillig dorthin wagte, hausten an den wenigen Oasen die Ausgestoßenen und bekämpften und zerrissen sich gegenseitig wegen eines verirrten Schafes oder ein paar Vogeleiern.
    »Ich will nicht zum Raubtier werden.«
    »Geduld, Erik! Für eine Weile findet ihr hier in der Zwillingsbucht ausreichend Schutz«, hatte Thorbjörn ihn und Tyrkir vor zwei Tagen beschwichtigt. »Also wartet auf mich und lasst uns in Ruhe überlegen!« Damit war er zurück aufs Schiff und hatte die beiden Gutsherren vom Thorsnessthing abgeholt. Auf neugierige Fragen in der Zeltstadt gab er nur einsilbig Antwort: »Der Verurteilte fügt sich dem Richterspruch. Wie es Freundespflicht ist, habe ich ihm einen Vorsprung verschafft, mehr nicht. Als letzten Dienst bringe ich sein Schiff zu seiner Familie.«
    Gemeinsam mit Styr und Ejolf hatte er dann auf der Ochseninsel die Zelte abgebrochen und das Reittier des Meeres samt aller Habe und den Mägden verstohlen durch das Gewirr der unzähligen Inseln und Riffe weiter nach Norden hinauf in diese verschwiegene Bucht gebracht.
    Jetzt saßen die Helfer schon seit Stunden mit Erik und Tyrkir am Strand und berieten. Gefahr, überrascht zu werden, bestand nicht. Etwas weiter draußen kreuzte der Seevogel Thorbjörns als Späher und quer in der engen Einfahrt zur Bucht ankerten die Schiffe der beiden Gutsherren. Ihre Besatzungen waren an Bord, Pfeil und Bogen lagen griffbereit; sollte doch ein Verfolger das Versteck durch Zufall entdecken, würde er gebührend empfangen werden.
    Über dem Feuer siedete eine Suppe. Unentwegt rührte Katla im Tiegel, keinen Schritt bewegte sich die Magd von der Kochstelle weg; mit sorgenvollem Blick, die Lippen leicht geöffnet, hörte sie dem Planen der Herren zu.
    »Das ist unter meiner Würde.« Nein, Erik lehnte ab. Selbst das Angebot, von Freunden gut versorgt, auf der Südseite im Bezirk des Goden irgendwo in einer entlegenen Viehhütte die drei Jahre zu fristen, verwarf er.
    »Warum?« Der Richter rieb

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