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Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)

Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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hatte Pedro die schwarzen Häftlinge mit dicken Fellen ausrüsten lassen, die die Schäferhunde nicht zu durchbeißen vermochten.
    Pedro fuhr nach Johannesburg und gab Anzeigen in den größten Zeitungen auf: Sensationelle weiße Schäferhunde stünden zum Verkauf, wenn auch nur in wenigen Exemplaren.
    Er hatte sich in einer Suite in einem der exklusivsten Hotels von Johannesburg einquartiert. Der verzweifelte Hotelchef musste bald Aushilfspersonal einstellen, das sich um die langen Schlangen von Interessenten für die Hunde kümmerte.
    Pedro hatte zwei junge Hunde nach Johannesburg mitgenommen, eine Hündin und einen Rüden. Beide gehörten zu den intelligentesten Hunden, die er gezüchtet hatte. Um ihre Aggressivität zu demonstrieren, ließ er einen schwarzen Boy ins Zimmer rufen. Sogleich begannen die Hunde wütend an ihren Leinen zu zerren.
    Er verkaufte seine Hunde zu Preisen, die darauf hindeuteten, dass er Goldklumpen an der Leine hielt. Als er in die Heimatstadt zurückkehrte, hatte er Bestellungen und Anzahlungen für fünfzig Hunde, und er hatte sein Vermögen wie ein erfolgreicher Goldgräber vermehrt, ohne ein einziges Mal einen Spaten oder ein Sieb in der Hand gehalten zu haben.
    Pedro war ein Unternehmer geworden, der mit Angst handelte. Er wusste, wie er seine Erfahrung nutzen konnte. Für ihn war die Angst zwischen Menschen nie etwas anderes als das: eine glänzende Geschäftsidee.

47
     
    Am Tag nach der Versammlung im Bordell mietete Hanna Andrades Auto mit Chauffeur, um zu Pedro Pimentas Hof außerhalb der Stadt zu fahren.
    Pedro Pimenta hatte neben seinem Hundezwinger ein riesiges Haus gebaut. Zudem hatte er einen großen Garten angelegt und eine Reihe von Teichen ausheben lassen, in denen er Krokodile aufzog. Ihre Haut verkaufte er für die Herstellung von Schuhen und Handtaschen an Gerbereien in Paris. Die Eier der Krokodile hatte er auf Sandbänken weiter oben am Komatifluss einsammeln lassen. Außerdem hatte er Ruderer angestellt, die frisch geschlüpfte Krokodiljunge aus den Gewässern neben den Sandbänken fischten, wo die Weibchen lagen und sie bewachten. Sie zögerten nicht, zum Angriff überzugehen, wenn jemand versuchte, ihre Eier oder die Jungen zu holen, die sie vorsichtig in ihren Mäulern zum Fluss hinuntergetragen hatten. Eines Tages war es einem großen Krokodil gelungen, ein zerbrechliches Ruderboot umzukippen. Beide Männer waren im Wasser gelandet und hatten mit dem Mut der Verzweiflung versucht, das Flussufer zu erreichen. Dem einen war es gelungen. Aber er hatte gesehen, wie sein Kamerad, der sich gerade an Land hatte ziehen wollen, von einem Krokodil ins Bein gebissen und heruntergezogen wurde. Ein einziges Mal hatte sein Kopf sich gezeigt, ehe das Krokodil ihn getötet und den Körper an den Wasserwurzeln der Bäume befestigt hatte. Dort würde der Körper verwesen, ehe er gefressen wurde.
    Hanna hatte mit Entsetzen diese Geschichte von Felicia gehört und nie daran gezweifelt, dass sie wahr war. Sie konnte sich nicht hinter dem Gedanken verstecken, dass es eine Lügengeschichte unter tausend anderen war. Nur zu gern überboten sich die Männer, die im Bordell mit ihren Huren zusammensaßen, im Erfinden von Horrorgeschichten.
    Pedro Pimenta war religiös. Felicia hatte ihr einen Grabstein auf dem Friedhof der Stadt gezeigt, den er für den getöteten Mann hatte errichten lassen. Sie hatten keinen Körper zu begraben. Die Kleider des Toten waren in einen Sarg aus schön geschnitztem Holz gelegt worden. Auf dem Stein stand nur der Name Walibamgu, da Pedro den Nachnamen des Mannes nicht kannte. Er war einfach eines Tages an den Krokodilteichen aufgetaucht und hatte Arbeit gesucht, und Pedro hatte ihn sofort angestellt. Für Pedro spielte es keine Rolle, dass ihm ein Nachname und eine Vergangenheit fehlten. Der Tote war ein Wanderer aus dem afrikanischen Inland, der nur im Augenblick existierte. Ein Walibamgu, ohne Geburtsdatum, aber mit einem Todestag, der sich in einen Grabstein meißeln ließ.
    Pedro Pimenta also glaubte an Gott und besuchte regelmäßig die Kathedrale. Er spendete Geld für neue Kerzenhalter und sogar für eine Reparatur der von Termiten zerfressenen Bänke in dem riesigen Kirchenraum.
    Jetzt saß er im Schatten auf seiner großen Veranda, die zum Fluss hin lag, in der Ferne die Berge, die sich in stets gleichbleibendem Dunst verloren. Hanna wusste, dass Pedro Pimenta sein Haus nur selten verließ. Ausflüge unternahm er nur zum Bordell und zur Kathedrale.

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