Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)
Er lehnte alle Einladungen ab, nicht einmal dem portugiesischen Gouverneur gelang es, ihn zu den Empfängen zu locken, die bei der übrigen weißen Elite heiß begehrt waren. Pedro Pimenta zog es vor, auf seiner Veranda zu sitzen und die Krokodile zu bewachen, die in ihren Teichen heranwuchsen, und die weißen Schäferhunde, die in dem großen Zwinger auf Aggressivität getrimmt wurden. In einem Teich neben der Veranda fütterte er eigenhändig ein paar Krokodiljunge mit kleinen Fischen und Fröschen.
Pedro Pimenta trug einen weißen Leinenanzug und einen Tropenhelm mit Schweißtuch im Nacken. Sein Körperbau war eigentümlich, alles an ihm war mager bis auf den Bauch, der wie ein Tumor über den Gürtel quoll. Seine Gesichtshaut war vernarbt von Insektenbissen und Pocken, ein Augenlid hing herab, als müsste sein halbes Ich mit einer großen Müdigkeit kämpfen. Er war noch jung, war aber frühzeitig gealtert, wie es oft mit weißen Menschen geschieht, wenn sie in die Tropen übersiedeln und viel zu hart arbeiten.
Pedro Pimenta lebte seit mehreren Jahren mit Isabel zusammen, einer schwarzen Frau, mit der er zwei Kinder hatte, einen Sohn und eine Tochter. Die beiden Kinder waren in der Kathedrale auf Joanna und Rogerio getauft worden.
Dass er eine schwarze Geliebte hatte, kümmerte kaum jemand von den Weißen in der Stadt. Aber dass er mit ihr zusammenlebte und ihre Kinder von einem Privatlehrer unterrichten ließ, als wären es seine eigenen, was sie ja allerdings auch waren, wurde von allen missbilligt. In gewissen Kreisen wurde er mit Verachtung gestraft, während andere ihn mit einer unbestimmten Unruhe beobachteten.
Pedro reichte Hanna die Hand, als sie aus dem Auto stieg. Er lud sie auf seine Veranda ein, wo es durch die Windstöße vom Fluss her zumindest eine Andeutung von Kühle gab.
Isabel kam heraus und begrüßte sie. Sie war wie eine weiße Frau gekleidet und trug das schwarze Haar in einem straffen Knoten im Nacken. Für Hanna war Isabel die erste schwarze Frau, die ihr direkt in die Augen sah, als sie sich begrüßten. Wahrscheinlich wusste Isabel, wie die Menschen einmal gewesen waren, bevor die Weißen mit ihren Schiffen angekommen und auf der Jagd nach Sklaven, Diamanten und Elfenbein an Land gegangen waren.
Isabel holte die Kinder, damit auch sie den Gast begrüßten. Hanna dachte, es seien die schönsten Kinder, die sie je gesehen hatte.
»Meine Kinder«, sagte Pedro. »Meine größte Freude. Und oft auch meine einzige Freude.«
Hanna fragte sich, warum er plötzlich so niedergeschlagen klang. Ein kalter Windhauch, der nicht vom Fluss kam, sondern aus ihr selbst, zog vorüber. Sie verstand nicht, wie er mit so beklommener Stimme von Freude sprechen konnte.
Irgendetwas verursachte ihr Unbehagen, ohne dass sie verstanden hätte, was es war.
Pedro nahm sie mit auf einen Spaziergang zum Hundezwinger.
»Die Nachfrage steigt immer noch«, sagte er. »Ich dachte, ich würde höchstens vier Jahre lang ein Monopol auf diese weißen Hunde haben. Dann würden andere Züchter es mir nachmachen, um den Bedarf des Marktes zu decken. Aber ich erkenne jetzt, dass ich nicht mit dem Bedürfnis der Menschen nach dem Original gerechnet habe. Und das Original gibt es hier, nirgendwo sonst.«
»Was kosten die Hunde?«, fragte Hanna.
»Wer nach dem Preis fragen muss, kann es sich kaum leisten, einen von ihnen zu kaufen.«
»Ich habe nicht in eigener Sache gefragt.«
»Ich weiß. Sie könnten es sich leisten, einen zu kaufen.«
Er wollte also nicht verraten, welchen Preis er verlangte. Oder er hatte keine speziellen Tarife, sondern ließ den einzelnen Kunden von seinen eigenen Voraussetzungen her bezahlen.
Sie gingen weiter zu den Teichen der Krokodilfarm. Pedro erklärte ihr, die langsam wachsenden Krokodile müssten getrennt werden, damit sie nicht den größeren Tieren als Nahrung dienten.
In einem Teich mit dunkelgrünem Wasser, abseits von den anderen, lag ein riesiges Krokodil regungslos auf einem Felsblock. Es war fast fünf Meter lang. Niemand wusste, wie alt es war. Pedro erlaubte niemand anderem, es zu füttern. Einmal in der Woche warf er das Futter in den Teich.
Gerade an diesem Tag wollte er das Krokodil füttern, das er auf den Namen Noa getauft hatte. Er fragte Hanna, ob sie zusehen wolle. Sie hätte gerne abgelehnt, nickte aber. Er rief einen der schwarzen Arbeiter, deren Aufgabe es war, die Krokodile zu versorgen. Ein wolliges Schaf, ein kräftiges Mutterschaf, wurde aus einem
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