Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)
Leben zu übernehmen. Mit gefälschten Referenzen fand er Arbeit bei einem indischen Geschäftsmann, erlernte die Grundlagen der Handelstätigkeit und eröffnete binnen kurzem ein eigenes Geschäft mit Preisen, die deutlich unter denen lagen, die seine Konkurrenten verlangten. Im Laufe von knapp zehn Jahren war er ein reicher Mann geworden. Sein Haus lag auf einem Hügel über der Stadt, und als einer der Ersten hatte er sich ein Auto mit Fahrer angeschafft. Er galt als einer der erfolgreichsten kolonialen Einwanderer.
Niemand wusste, dass Pedro Pimenta Analphabet war. All die Zahlen, die er bei seiner Geschäftstätigkeit unter Kontrolle haben musste, konnte er im Kopf behalten. Mit zunehmendem Erfolg holte er einen jüngeren Bruder aus Portugal, der lesen und schreiben konnte. Der Bruder erledigte die Korrespondenz, und niemand ahnte, dass die Buchstaben immer noch vor Pedros Augen tanzten.
Pedros großer Durchbruch kam mit den Hunden. Die Idee dazu hatte er, als er eines Abends das Bordell seines guten Freundes Senhor Vaz besuchte. Es war die Woche, in der Felicia ins Bordell gekommen war. Pedro wurde rasch zu ihrem Stammkunden und besuchte sie an allen Dienstagabenden.
Bei einem dieser Besuche wartete ein Mann, etwa in Pedros Alter, auf die Frau, die er gerade verlangt hatte. Er hoffte, sie würde bald mit ihrem derzeitigen Kunden fertig sein, und kam mit Pedro ins Gespräch. Der Mann war in Südafrika zu Hause und erzählte, er mache gute Geschäfte mit Wachhunden.
»Die Angst ist ein ausgezeichneter Arbeitgeber«, sagte er. »Besonders in Südafrika, wo die Weißen sich hinter hohen Zäunen einsperren und ihr Bedarf an Wachhunden unersättlich ist. Am liebsten hätten sie blutrünstige, ausgehungerte Wölfe. Aber ich verkaufe ihnen Deutsche Schäferhunde, die in Belgien und in einer Reihe von Zwingern in Süddeutschland trainiert worden sind. Wenn sie dazu abgerichtet sind, schwarze Menschen anzugreifen, kommen sie mit dem Schiff nach Durban oder Port Elizabeth. Meine Käufer stehen Schlange und sind bereit, ein kleines Vermögen für die stärksten und aggressivsten Exemplare zu zahlen.«
Der Mann verstummte, schlug die Asche von einer Zigarre ab und brach in Gelächter aus. »Ihr einziger Fehler ist, dass sie nicht weiß sind«, sagte er. »Das würde ihren Wert um das Doppelte erhöhen.«
Pedro verstand erst nicht, was er meinte. »Weiße Schäferhunde?«
»Es wäre perfekt, wenn man weiße Schäferhunde züchten könnte, wie Albinos. Weiße Hunde, so weiß wie ihre Besitzer. Das würde den Schwarzen noch mehr Angst einjagen. Und damit den Besitzern noch größere Sicherheit geben.«
Pedro nickte und nannte den Gedanken faszinierend. Aber er sagte nicht, dass er einen portugiesischen Tierarzt kannte, der ein paar weiße Schäferhunde in seinem Garten hielt.
Tags darauf besuchte Pedro den Tierarzt, der in den Sechzigern war und sich mit dem Gedanken trug, zurück nach Portugal zu ziehen, ehe er zu alt wurde. Er war über vierzig Jahre lang in dem Land gewesen, hatte mehrere schwere Anfälle von Malaria überlebt und wusste, dass seine inneren Organe gegen unzählige Bakterien, Würmer und Amöben kämpften. Kein Arzt fand es auch nur der Mühe wert, einen Versuch zu machen, ihn zu heilen. Pedro schlug vor, die beiden Schäferhunde mit ihren kürzlich geborenen Welpen zu übernehmen, alle gleichermaßen weiß, für eine spektakuläre Summe, die dem Tierarzt helfen würde, sich zur Heimreise durchzuringen. Sie einigten sich, und ein paar Monate später winkte Pedro ihm vom Kai aus ein Lebewohl zu, als das Linienschiff nach Durban, Port Elizabeth, Kapstadt und Lissabon im Hafen von Lourenço Marques ablegte.
In aller Heimlichkeit hatte Pedro bereits Land außerhalb der Stadt gekauft und einen großen Zwinger errichten lassen. Sein lesender und schreibender Bruder Louis hatte die Verantwortung dafür übernommen. Im Lauf von zwei Jahren hatten sie um die dreißig weiße Schäferhunde aufgezogen. Dann hatte sein Bruder von der afrikanischen Hitze genug bekommen und war wieder in die Heimat gefahren. Von diesem Tag an kümmerte sich Pedro selbst um alles. Mit Hilfe eines entlassenen portugiesischen Kavalleriemajors waren die Hunde darauf abgerichtet worden, sofort zum Angriff überzugehen, wenn ein schwarzer Mensch sich näherte. Pedro hatte den Kommandanten des Forts dafür bezahlt, dass er die Hunde an schwarzen Missetätern üben lassen konnte, die dort einsaßen. Um nicht als allzu brutal dazustehen,
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