Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)
Marktplatz. Vielleicht kann er einen Rat geben oder den Affen der Senhora heilen.«
»Was kann er, was die lokalen heilkundigen Frauen nicht können?«
»Das weiß ich nicht. Aber die Senhora hat um einen Rat gebeten. Außerdem glaube ich, dass sich die traditionelle Heilkunst vor allem mit Zauberei beschäftigt, die bekämpft werden muss.«
Hanna wünschte, er hätte die weißen Würmer gesehen und sie könnte ihm demonstrieren, wie sehr Esmeralda abgenommen hatte, indem sie ihm die Kleider aus der Zeit zeigte, als sie am fettesten war. Aber sie sagte nichts.
Der Priester sah sie unverwandt an und rückte dann den Stuhl näher heran. »In allem, was die Senhora erzählt, gibt es auch das Suchen nach etwas anderem«, fuhr er fort. »Etwas, was nicht von dem Affen handelt oder von der Sorge darüber, was er im Magen hat. Mir scheint, der Rat, den die Senhora sucht, betrifft das eigene Leben. Als Besitzerin und Wirtin des größten Bordells hier in der Stadt. Was die Kirche von dieser Art von Leben in Sünde hält, das sich in diesem Haus abspielt, brauche ich nicht zu erwähnen. Über Schweden, das Heimatland der Senhora, weiß ich nur, dass es dort sehr kalt sein kann und dass unzählige arme Leute über das Meer gefahren sind, um in Amerika ein besseres Leben zu finden. Aber auch dort würde das Leben, das die Senhora jetzt führt, weder als ehrbar noch als anständig betrachtet werden.«
Seine Worte trafen sie tief.
»Was soll ich tun?«, fragte sie. »Das Bordell wurde mir vererbt.«
»Schließen Sie es«, sagte Pater Leopoldo. »Oder verkaufen Sie es an jemanden, der daraus ein ordentliches Hotel oder Restaurant machen kann. Geben Sie den Frauen Geld, damit sie ein anständiges Leben führen können. Fahren Sie zurück in das Land, aus dem Sie gekommen sind. Die Senhora ist noch jung. Der Affe kann in den Busch zurückkehren. Er findet bestimmt eine Horde, der er sich anschließen kann.«
Hanna sagte nichts davon, dass Carlos schon längst seine Identität als Affe verloren hatte und jetzt in einer Grauzone lebte, wo er weder Tier noch Mensch war. Seine Heimat war eher eine Deckenlampe als ein Wald.
»Die Senhora flüchtet vor irgendetwas«, sagte Pater Leopoldo. »Diese Flucht wird niemals enden, wenn Sie nicht in Ihre Heimat zurückkehren. Und dieses schmutzige Handwerk hinter sich lassen.«
»Ich weiß nicht, ob ich etwas habe, zu dem ich zurückkehren will.«
»Die Senhora hat eine Familie? In dem Fall hat die Senhora ihre Wurzeln dort und nicht hier in der Stadt.«
Hanna sah plötzlich, dass Pater Leopoldo den Blick auf einen Punkt neben ihrem Kopf gerichtet hatte. Als sie sich umdrehte, sah sie einen hohen Offizier der portugiesischen Garnison. Er trug Uniform, hatte einen Säbel am Gürtel und die Uniformmütze unter dem Arm. Pater Leopoldo stand auf.
»Es tut mir leid, dass ich das Gespräch nicht fortsetzen kann. Aber kommen Sie gern wieder.«
Er lächelte Hanna aufmunternd zu und folgte dann dem Offizier zu einem der Beichtstühle. Die Draperien wurden auf jeder Seite der Trennwand zugezogen. Hanna dachte, der hohe Offizier hätte wahrlich viele Sünden zu beichten. Sie hatte ihn sofort erkannt. Er besuchte das Bordell regelmäßig und stellte manchmal sonderbare Forderungen an die Frauen, die ihn bedienten. Einige seiner Neigungen waren so, dass die Frauen sich verweigerten. Hanna war errötet, als sie zum ersten Mal hörte, was der Offizier verlangte. Er wünschte sich zwei Frauen zugleich, die so tun sollten, als wären sie Mutter und Tochter. Damals hätte sie ihm am liebsten Hausverbot erteilt. Aber er war ein guter Kunde. Felicia hatte auch erzählt, dass einige der südafrikanischen Kunden bedeutend schlimmere Wünsche äußerten, die eher zum Hausverbot führen sollten.
Sie hatten unter dem Palisanderbaum gesessen, und Felicia hatte ihr von all den eigentümlichen Neigungen der Männer erzählt. Hanna war fassungslos, denn nichts von dem, was Felicia berichtete, kannte sie auch nur annähernd von ihrem kurzen erotischen Zusammensein mit Lundmark und Senhor Vaz. Sie sah ein, dass es vieles gab, wovon sie allerdings als Wirtin eines Bordells zumindest Kenntnis haben sollte.
Sie erhob sich, um die Kathedrale zu verlassen, weiterhin im Zweifel, was sie tun sollte.
Der Mann im weißen Anzug baute sich plötzlich vor ihr auf. Er hielt seinen weißen Hut in der Hand und lächelte freundlich.
»Ich konnte nicht umhin zu hören, was Pater Leopoldo gesagt hat. Manchmal versteht man in
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