Erinnerung an meine traurigen Huren
dreizehnten Jahr versklavt hatte.
Um sieben Uhr abends war ich im Bellas Artes Ehrengast bei einem Konzert von Jacques Thibaud und Alfred Cortot, eine gloriose Interpretation der Sonate für Geige und Klavier von César Frank, und bekam in der Pause unglaubliche Elogen zu hören. Maestro Pedro Biava, unser großer Musiker, schleifte mich förmlich zu den Garderoben, um mich den Interpreten vorzustellen. Ich war so durcheinander, dass ich sie zu einer Schumann-Sonate beglückwünschte, die sie nicht gespielt hatten, worauf mich jemand ungezogen in aller Öffentlichkeit korrigierte. Der Eindruck, ich hätte die beiden Sonaten aus schlichter Ignoranz verwechselt, verbreitete sich in der Stadt und wurde durch eine ungeschickte Erklärung meinerseits verstärkt, mit der ich das alles am Sonntag in der Besprechung des Konzerts zurechtzurücken suchte.
Zum ersten Mal in meinem langen Leben hielt ich mich für fähig, jemanden zu töten. Auf dem Nachhauseweg marterte mich das Teufel-chen, das uns die schlagenden Antworten ins Ohr flüstert, die wir zur rechten Zeit nicht gegeben haben, und weder Lektüre noch Musik konnten meine Wut dämpfen. Zum Glück brachte Rosa Cabarcas mich auf andere Gedanken, sie kreischte ins Telefon: Ich bin ja so glücklich über die Zeitung, denn ich hatte geglaubt, du wärst nicht neunzig, sondern schon hundert geworden. Aufgebracht erwiderte ich: So hinfällig habe ich auf dich gewirkt? Im Gegenteil, sagte sie, ich war überrascht, dass du so gut aussiehst. Wie schön, dass du nicht zu den geilen Greisen gehörst, die sich älter machen, damit man glaubt, dass sie in guter Verfassung sind. Und teilte mir übergangslos mit: Ich habe ein Geschenk für dich. Das überraschte mich wirklich. Und was ist das? Die Kleine, sagte sie.
Ich dachte keine Sekunde nach. Danke, sagte ich, das ist vorbei. Sie fuhr einfach fort: Ich schick sie dir nach Hause, in Bambuspapier gewickelt und im Wasserbad mit Sandelholz gegart, alles gratis. Ich blieb standhaft, und sie erging sich in einer holprigen Erklärung, die ehrlich klingen sollte. Sie sagte, das Mädchen sei an jenem Freitag in solch schlechtem Zustand gewesen, weil sie zweihundert Knöpfe mit Nadel und Fingerhut angenäht habe. Ja, sie habe tatsächlich Angst vor blutigen Vergewaltigungen, doch nun sei sie auf das Opfer vorbereitet. In der Nacht mit mir sei sie aufge-standen, um auf die Toilette zu gehen, ich hätte aber so tief geschlafen, dass es ihr Leid getan habe, mich zu wecken, und morgens, als sie wieder aufwachte, sei ich schon fort gewesen. Das kam mir wie eine alberne Lüge vor, und ich war verstimmt. Nun gut, fuhr Rosa Cabarcas fort, selbst wenn es so wäre, das Mädchen bereut es. Arme Kleine, sie steht hier vor mir. Soll ich sie dir geben? Um Gottes willen, nein, sagte ich.
Ich hatte zu schreiben begonnen, als die Redaktionssekretärin anrief. Sie teilte mir mit, der Direktor wolle mich am nächsten Tag um elf Uhr vormittags sehen. Ich kam pünktlich. Der Baulärm war unerträglich, die Luft erfüllt von dem Gehämmer, von Zementstaub und Teerdämpfen, doch die Redaktion hatte sich daran gewöhnt, im alltäglichen Chaos zu denken. Die Direktionsbüros hingegen gehörten in ihrer kühlen Stille nach wie vor einem idealen Land an, das nicht das unsere war.
Der dritte Marco Tulio, ein Mann von jünglingshafter Erscheinung, stand auf, als er mich eintreten sah, unterbrach aber nicht sein Telefongespräch, er reichte mir über den Schreibtisch hinweg die Hand und bedeutete mir, Platz zu nehmen. Ich hatte den Verdacht, dass am anderen Ende der Leitung keiner wäre und er diese Farce aufführte, um mich zu beeindrucken, aber bald merkte ich, dass er mit dem Gouverneur sprach und es sich tatsächlich um ein schwieriges Gespräch unter herzlichen Feinden handelte. Im Übrigen war er, glaube ich, bemüht, vor mir energisch zu wirken, auch wenn er stehen blieb, so lange er mit der staatlichen Autorität sprach.
Das Laster der Makellosigkeit war ihm anzusehen. Er war gerade neunundzwanzig geworden, hatte vier Sprachen und drei internationale Diplome vorzuweisen, ganz anders als der erste Präsident auf Lebenszeit, sein Großvater väterlicherseits, ein Mann der Praxis, der Journalist geworden war, nachdem er im Mädchenhandel ein Vermögen gemacht hatte. Der Enkel war gewandt im Umgang, wirkte überaus schmuck und gelassen, und das Einzige, was die Trefflichkeit seiner Erscheinung gefährdete, war ein falscher Ton in der Stimme. Er trug ein
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