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Erinnerung an meine traurigen Huren

Erinnerung an meine traurigen Huren

Titel: Erinnerung an meine traurigen Huren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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sportliches Jackett mit einer frischen Orchidee im Knopfloch, und alles passte zu ihm, als gehöre es zu seiner Natur, doch nichts davon war für das Klima auf der Straße gemacht, alles für den Frühling in seinen Büros. Ich, der ich fast zwei Stunden aufs Ankleiden verschwendet hatte, spürte die Schmach der Armut und wurde noch wütender.
    Das tödliche Gift aber lauerte in einem Panoramafoto der Belegschaft, aufgenommen am fünfundzwanzigsten Jahrestag der Zeitungsgründung, auf dem die inzwischen Verstorbenen mit einem Kreuzchen über dem Kopf gekennzeichnet waren. Ich war der Dritte von rechts, trug einen flachen Strohhut, eine Krawatte mit dickem Knoten und einer Perle, den ersten Schnurrbart nach Obristenart, den ich bis zum vierzigsten Lebensjahr hatte, und die drahtgefasste Brille eines Seminarzöglings, die ich nach einem halben Jahrhundert dann nicht mehr benötigte. Ich hatte dieses Foto über die Jahre in verschiedenen Büros hängen sehen, aber erst jetzt wurde mir die Botschaft bewusst: Von ursprünglich achtundvierzig Angestellten waren nur noch vier am Leben, und der Jüngste von uns saß eine zwanzigjährige Strafe für mehrfachen Mord ab.
    Der Direktor beendete das Telefonat, ertappte mich beim Betrachten des Fotos und lächelte. Die Kreuzchen habe nicht ich angebracht, sagte er. Ich halte sie für äußerst geschmacklos. Er setzte sich an den Schreibtisch und wechselte den Ton: Erlauben Sie mir die Bemerkung, dass Sie der unberechenbarste Mensch sind, den ich kenne. Angesichts meiner Überraschung kam er jeder Frage zuvor: Ich sage das wegen Ihrer Kündigung. Ich brachte nur über die Lippen: Das ist ein ganzes Leben. Er entgegnete, gerade deshalb sei es keine schickliche Lösung. Die Glosse fand er großartig, und alles, was ich über das Alter gesagt hätte, gehöre zum Besten, was er je darüber gelesen habe, doch es ergäbe keinen Sinn, sie mit einem Entschluss zu beenden, der einem bürgerlichen Tod gleichkomme. Zum Glück, sagte er, hat der Widerwärtige Mann der neunten Stunde die Glosse gelesen, als der Umbruch der Meinungsseite schon fertig war, und sie für unvertretbar befunden. Ohne sich mit irgendeinem zu beraten, hat er sie mit dem Stift des Großinquisitors von oben bis unten durchgestrichen. Als ich das heute Morgen erfuhr, ließ ich eine Protestnote an das Gouvernement schicken. Das war meine Pflicht, aber unter uns, ich bin sehr dankbar für die Willkür des Zensors, denn ich kann nicht hinnehmen, dass Sie die Glosse aufgeben. Ich flehe Sie von ganzem Herzen an, sagte er, verlassen Sie nicht das Schiff auf hoher See. Und er endete mit einer großen Geste: Es gibt in der Musik noch viel, worüber wir sprechen müssen.
    Er wirkte so bestimmt, dass ich nicht wagte, den Dissens mit einem fadenscheinigen Argument zu vertiefen. Tatsächlich lag das Problem darin, dass ich selbst immer noch keinen anständigen Grund gefunden hatte, die Tretmühle zu verlassen, und es graute mir bei dem Gedanken, mich nur deshalb noch einmal zu fügen, weil ich Zeit gewinnen wollte. Ich musste mich zusammenreißen, um mir nicht die schamlose Rührung anmerken zu lassen, die mir die Tränen in die Augen trieb. Und wieder einmal, wie immer in so vielen Jahren, blieb alles beim Alten.
    In der folgenden Woche, gefangen in einem Zustand, der eher verwirrt denn freudig war, ging ich bei den Tierzüchtern vorbei und holte die Katze ab, die mir die Setzer geschenkt hatten. Ich habe keine Beziehung zu Tieren, aus eben dem Grund, aus dem ich auch keine Beziehung zu kleinen Kindern habe, die noch nicht sprechen können. Für mich ist ihre Seele stumm. Nicht, dass ich Tiere hasse, aber ich kann sie nicht ertragen, weil ich nicht gelernt habe, mit ihnen umzugehen. Es scheint mir widernatürlich, dass ein Mann sich mit seinem Hund besser als mit seiner Frau versteht, dass er ihn lehrt, zur gleichen Zeit wie er Nahrung aufzunehmen und auszuscheiden, Fragen zu beantworten und den Kummer zu teilen. Die Katze der Setzer nicht abzuholen wäre jedoch eine Kränkung gewesen. Außerdem handelte es sich um ein prächtiges Exemplar mit rosaseidigem Angorafell und leuchtenden Augen, und das Maunzen klang fast nach Worten. Ich bekam die Katze in einem Weidenkorb ausgehändigt, dazu einen beglaubigten Stammbaum und ein Handbuch, wie bei einem Fahrrad, das man selbst zusammenbauen muss.
    Eine Militärpatrouille prüfte die Identität der Fußgänger, bevor sie den Durchgang zum Park San Nicolás freigab. So etwas hatte ich noch

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