Erinnerung Des Herzens
erhielt - und dann war Brandon gekommen. Als achtzehnjährige Mutter hatte Julia ihre Pläne geändert. Sie hatte Verrat, Furcht und Verzweiflung überlebt. Sie hatte das Gefühl gehabt, dass sie zu den Menschen gehörte, die dazu bestimmt waren, früh und schnell erwachsen zu werden.
Neue Träume waren an die Stelle der alten getreten, dachte sie amüsiert, als sie in ein altes, abgetragenes Kleid schlüpfte. Jetzt schrieb sie über Schauspieler, würde aber nie mehr selber auf der Bühne stehen. Der Gedanke, dass ihr Kind sicher und zufrieden im Nebenzimmer schlief, ließ kein Bedauern in ihr aufkommen. Und das Wissen um ihre eigene Stärke und ihr Können würde ihr helfen, ihm eine lange, glückliche Kindheit zu verschaffen. Sie wollte gerade die Haarnadeln herausziehen, als sie ein Klopfen an der Tür hörte. Julia warf einen Blick auf ihr ausgeblichenes Kleid, dann zuckte sie mit den Schultern. Wenn dies eine Zeitlang ihr Zuhause war, dann hatte sie auch das Recht, sich darin zu entspannen.
Julia öffnete einer hübschen Blondine mit meerblauen Augen die Tür. Das Mädchen lächelte sie strahlend an. »Hi, ich bin CeeCee. Ich arbeite für Miss Benedict. Ich werde mich um Ihren Sohn kümmern, während Sie Ihr Abendessen einnehmen.«
Julia hob eine Braue. »Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber ich habe bereits mit Bedauern abtelefoniert.«
»Miss Benedict sagt, der kleine Junge - Brandon heißt er, ja? - wäre todmüde gewesen. Ich werde auf ihn aufpassen, während Sie im Hauptgebäude am Dinner teilnehmen.«
Julia öffnete den Mund, um erneut abzulehnen, aber CeeCee wirbelte bereits zur Tür herein. Sie trug Jeans und ein T- Shirt, und das blonde Haar fiel ihr über die Schultern. Im Arm trug sie einen Stapel Illustrierte.
»Ist es nicht toll hier?« meinte sie fröhlich. »Ich putze gern hier, und ich werde es für Sie tun, solange Sie hier sind. Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie irgend etwas Besonderes haben wollen.«
Julia musste lächeln. »Alles ist perfekt.« Das Mädchen vibrierte vor Energie und Begeisterung. »Aber ich glaube wirklich nicht, dass ich Brandon in der ersten Nacht allein zurücklassen sollte mit jemandem, den er gar nicht kennt.«
»Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ich habe zwei kleine Brüder und arbeite als Babysitter, seit ich zwölf war. Dustin, mein jüngster Bruder, ist ein Nachkömmling. Er ist gerade zehn und ein richtiges Megamonstrum.«
Wieder lächelte sie Julia strahlend an. Ihre Zähne waren so weiß, dass sie Reklame für Zahnpasta hätte machen können. »Es wird keine Probleme geben, Ms. Summers. Wenn er aufwacht und nach Ihnen fragt, werden wir drüben anrufen. In zwei Minuten können Sie hier sein.«
Julia zögerte. Sie wusste, dass Brandon durchschlafen würde, und die kecke Blondine war genau der Typ Babysitter, den sie selber auch ausgewählt hätte. Sie war übervorsichtig, und genau das wollte sie nicht sein.
»In Ordnung, CeeCee. Ich ziehe mich um. Und in ein paar Minuten bin ich zurück.«
Als Julia fünf Minuten später wieder nach unten kam, saß CeeCee auf dem Sofa und blätterte in einer Modezeitschrift. Sie blickte hoch und musterte Julia aufmerksam.
»Diese Farbe steht Ihnen großartig, Ms. Summers. Ich möchte gern Designerin werden, deswegen achte ich auf Farben, Schnitte und Stoffe, wissen Sie. Nicht jeder kann eine so intensive Farbe tragen wie dieses Tomatenrot.«
Julia strich über die Jacke, die sie mit einer schwarzen Abendhose kombiniert hatte. Sie hatte diese Kleidungsstücke ausgewählt, weil sie ihr Selbstbewußtsein stärkten. »Danke.«
»Armani?«
»Sie haben einen sicheren Blick.«
CeeCee warf ihr langes Haar zurück. »Vielleicht werden Sie eines Tages ein Kleid von McKenna tragen. Das ist mein Nachname. Wen ich nicht lieber meinen Vornamen verwenden werde. Wie Che und Madonna, wissen Sie.«
Julia musste lächeln, dann schaute sie zurück auf den Treppenaufgang. »Wenn Brandon aufwacht ...«
»Wir werden gut miteinander zurechtkommen«, versicherte CeeCee. »Und wenn er beunruhigt sein sollte, rufe ich Sie sofort an.«
Julia nickte und drehte die schwarze Abendhandtasche hin und her. »Ich werde nicht spät heimkommen.«
»Ich wünsche Ihnen viel Spaß. Miss Benedicts Dinner-Par- tys sind berühmt.«
Auf dem kurzen Weg von Haus zu Haus hielt sich Julia eine kleine Strafpredigt. Brandon war kein schüchternes Kind, das sich an die Mutter klammerte.
Wenn er aufwachen sollte, würde er den Babysitter nicht nur
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