Erinnerung Des Herzens
und linke Hand.«
»Packesel und Prügelknabe«, sagte die blonde Frau und reichte Julia ein Glas. Ihre Stimme verriet Humor, ihre Haltung Selbstbewußtsein. Als sie sie genauer anschaute, stellte Julia fest, dass die Frau älter war, als sie zuerst gedacht hatte. Eher fünfzig als vierzig, aber sie wirkte ausgesprochen jugendlich. »Ich warne Sie, wenn sie längere Zeit mit Miss B. zusammenarbeiten wollen, werden Sie bald etwas anderes brauchen als Mineralwasser.«
»Wenn Ms. Summers ihre Hausaufgaben gemacht hat, weiß sie bereits, dass ich von Beruf schwierig bin. Und hier meine einzige große Liebe, Paul Winthrop.« Eve schnurrte fast, als sie ihre Finger über seinen Arm gleiten ließ. »Ein Jammer, dass ich den Vater geheiratet habe, statt auf den Sohn zu warten.«
Er reichte ihr nicht die Hand. »Haben Sie Ihre Hausaufgaben gemacht, Ms. Summers?« Seine Stimme klang kühl.
»Ja. Aber ich nehme mir immer die Zeit, mir selber eine Meinung zu bilden.«
Er hob sein Glas und beobachtete Julia, die sofort in Gespräche verwickelt wurde. Sie war kleiner, als er gedacht hatte, und zierlicher. Und sie war die einzige Frau im Raum, die mit Eves Schönheit konkurrieren konnte. Trotzdem war ihm Darlas unverhohlene Zurschaustellung dessen, was sie zu bieten hatte, lieber als Julias kühle Gelassenheit. Es war für einen Mann kein Problem, rasch alles in Erfahrung zu bringen, was es über Daria Rose zu wissen gab. Die distanzierte Ms. Summers war ein ganz anderer Fall. Aber Eve zuliebe hatte Paul die feste Absicht, alles in Erfahrung zu bringen, was es über Julia zu wissen gab.
Julia konnte sich nicht entspannen. Selbst als sie zu Tisch gingen, und sie ein einziges Glas Wein einnahm, konnte sie die verkrampften Muskeln im Nackenbereich nicht lockern. Auch ihr Magen rebellierte. Sie sagte sich, dass die Nerven ihr einen Streich spielten und ihr eine Feindseligkeit vorgaukelten, die gar nicht vorhanden war. Niemand in der kleinen Runde hatte irgendeinen Grund, ihr böse zu sein. Drake hatte aufgehört, seinen Charme spielen zu lassen, und Daria widmete sich hingebungsvoll dem gefüllten Truthahn mit wildem Reis. Eve schwamm auf einer Champagnerwelle, und Nina kicherte über eine Bemerkung, die Paul über einen gemeinsamen Bekannten gemacht hatte.
»Curt Dryfuss?« Eve mischte sich in das Gespräch ein. »Er wäre ein besserer Direktor geworden, wenn er es fertiggebracht hätte, seinen Reißverschluß oben zu lassen. Wenn er die Hauptdarstellerin in seinem letzten Streifen nicht so oft auf sich hätte reiten lassen, könnte er vielleicht eine anständige Schauspielerin aus ihr gemacht haben - auf dem Bildschirm.«
»Selbst wenn er ein Eunuch wäre, hätte er keine anständige Schauspielerin aus ihr machen können«, erwiderte Paul. »Auf dem Bildschirm.«
»Heute geht es nur noch um Titten und Ärsche.« Eve ließ ihren Blick über Daria gleiten. Julia hoffte, dass ihr niemals ein solcher Blick gelten würde. »Sagen Sie mir, Ms. Summers, was halten Sie von unseren modernen Schauspielerinnen?«
»Ich möchte sagen, sie sind genauso wie in jeder Generation. Die besten werden an die Spitze rücken. Sie haben es geschafft.«
»Wenn ich darauf gewartet hätte, an die Spitze zu rücken, würde ich heute zweitklassige Filme machen mit zweitklassigen Direktoren.« Sie gestikulierte mit ihrem Glas. »Ich habe mich mit Zähnen und Krallen an die Spitze gearbeitet, und ich habe den größten Teil meines Lebens einen blutigen Kampf geführt, um dort zu bleiben.«
»Dann sollte man sich wohl fragen, ob es das wert ist?«
Eve kniff die Augen zusammen, sie verzog den Mund. »Das ist es, verdammt noch mal.«
Julia beugte sich vor. «Wenn Sie noch mal von vorn anfangen könnten, würden sie irgend etwas anders machen?«
»Nein. Nichts.« Sie nahm schnell einen tiefen Schluck aus ihrem Glas. Sie spürte, dass sie Kopfschmerzen bekam, und der dumpfe Schmerz im Augenhintergrund machte sie wütend. »Wenn man etwas ändert, ändert man alles.«
Paul legte seine Hand auf Eves Arm, schaute aber Julia dabei an. Da er sich keine Mühe gab, seine Gefühle zu verbergen, wusste Julia jetzt, woher diese Welle von Feindschaft kam, die sie die ganze Zeit über gespürt hatte. »Hat das Interview nicht Zeit, bis die Arbeitsstunden beginnen?«
»Sei nicht so hochnäsig, Paul.« Eve lächelte sanft. Lachend schlug sie ihm auf die Hand. Dann wandte sie sich an Julia. »Er ist gegen unser Projekt. Ich bin sicher, dass er Angst hat, ich würde
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