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Erinnerung Des Herzens

Erinnerung Des Herzens

Titel: Erinnerung Des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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natürlich, oder? Wer waren sie, diese Leute, die mich nicht gewollt hatten? Warum hatten sie mich hergegeben? Wie mochten sie aussehen? Ich erfand Geschichten - dass sie sich wahnsinnig geliebt hatten, aber dass er gestorben war und sie allein und mittellos zurückgelassen hatte. Oder, dass sie bei der Geburt gestorben war, bevor er kommen konnte, um sie und mich zu retten. Viele süße, überspannte Geschichten. Aber ich behielt sie für mich, weil meine Eltern ...« Sie legte einen Augenblick die Hand über ihre Augen, weil der Schmerz zu unerträglich war. »Sie liebten mich, sie wollten mich. Ich habe nicht oft daran gedacht, dass ich adoptiert worden war. Tatsächlich vergaß ich es oft über lange Zeiten hinweg, weil mein Leben so normal verlief. Aber dann beunruhigte es mich doch wieder. Als ich Brandon erwartete, fragte ich mich, ob sie auch so verletzt worden war wie ich. Traurig, verletzt und allein.«
    »Jules ...«
    »Nein, bitte nicht.« Sie zog sich sofort zurück und presste die Arme an ihren Körper. »Ich will nicht getröstet werden. Ich will keine Sympathie und kein Verständnis.«
    »Was dann?«
    »Zurückkehren.« Verzweiflung lag in ihrer Stimme. »In der Lage sein, zu dem Punkt zurückzukehren, bevor sie mir die Sache erzählt hat. Ihr klar machen, dass dies eine Lüge war, mit der sie hätte weiterleben müssen. Warum hat sie das nicht erkannt? Warum konnte sie nicht sehen, dass die Wahrheit alles zerstören würde, Paul? Sie hat meine Identität zerstört, meine Erinnerungen, mir die Wurzeln weggezogen. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin, was ich bin.«
    »Du bist genau derselbe Mensch, der du vor einer Stunde gewesen bist.«
    »Nein. Das ist nicht wahr! Alles ist auf einer Lüge aufgebaut gewesen und auf den vielen anderen, die folgten. Sie brachte mich unter einem falschen Namen zur Welt, den sie aus einem Drehbuch genommen hatte. Dann ging sie fort, nahm ihr Leben genau an der Stelle wieder auf, an der sie es kurz unterbrochen hatte. Sie hat es niemandem erzählt, nicht einmal ...« Die Stimme versagte ihr. Als sie weitersprechen konnte, brachte sie nur ein heiseres Flüstern heraus. »Victor. Victor Flannigan ist mein Vater.«
    Das war das einzige, was Paul nicht überraschte. Er nahm ihre Hand, die eiskalt war. Er versuchte, sie zu erwärmen. »Er weiß es nicht?«
    Sie konnte nur noch den Kopf schütteln. Sein Gesicht wirkte blaß im Mondlicht, seine Augen dunkel. Wusste er es, fragte sie sich. Wusste er, dass er wie ein Wildfremder aussah? »Mein Gott, Paul, was hat sie getan? Was hat sie uns allen angetan?«
    Trotz ihres Widerstandes nahm er sie in die Arme. »Ich weiß nicht, was für Konsequenzen es haben wird, Julia. Aber ich weiß, dass du darüber hinwegkommen wirst. Du hast die Scheidung deiner Eltern überlebt, ihren Tod, und du hast Brandon zur Welt gebracht - ohne Vater.«
    Sie schloss ganz fest die Augen, in der Hoffnung, Eves Gesicht nicht mehr sehen zu müssen. »Wie kann ich sie je wieder ansehen, ohne sie zu hassen? Sie zu hassen, weil es ihr so leichtgefallen ist, ohne mich zu leben?«
    »Glaubst du, dass es ihr leichtgefallen ist?« flüsterte er.
    »Ihr bestimmt.« Sie wich ein wenig zurück, um sich ungeduldig die Tränen abzuwischen. Auf keinen Fall wollte sie jetzt Sympathie mit Eve aufkommen lassen. »Zum Teufel, ich weiß, was sie durchgemacht hat. Ungläubigkeit, Panik, Elend - all die einzelnen Phasen. Wirklich, Paul, ich weiß, wie weh es tut, wenn man feststellt, dass man schwanger ist und weiß, dass der Mann, den man liebt oder zu lieben glaubt, keine Familie mit einem gründen wird.«
    »Vielleicht hatte sie deshalb das Gefühl, sie könnte es dir erzählen.«
    »Nun, da hat sie sich geirrt.« Sie beruhigte sich langsam, schrittweise. »Ich weiß, dass ich, wenn ich mich entschlossen hätte, Brandon herzugeben, mich nie in sein Leben eingemischt hätte, ihn nie aufs neue mit all den Fragen konfrontiert hätte, ob und warum er nicht gut genug gewesen wäre, bei mir zu sein.«
    »Wenn sie einen Fehler gemacht hat ...«
    »Ja, sie hat einen Fehler gemacht«, sagte Julia mit einem harten Auflachen. »Ich bin der Fehler.«
    »Das reicht.« Wenn sie keine Sympathie wollte, würde er ihr auch keine geben. »Immerhin weißt du, dass du in Liebe empfangen worden bist. Das ist mehr, als die meisten von sich sagen können. Meine Eltern hegten einen höflichen Abscheu voreinander, solange ich zurückdenken kann. Das ist meine Herkunft. Du bist von Menschen aufgezogen

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