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Erinnerung Des Herzens

Erinnerung Des Herzens

Titel: Erinnerung Des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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gern zu. Aber als sie sah, wie Victor auf die Frau hinunterblickte, die er liebte, die großen Hände verkrampft, die breiten Schultern heruntergesackt, konnte sie sich nicht einfach auf eine der Kirchenbänke setzen.
    »Ich muss ...«
    Paul nickte nur. »Möchtest du, dass ich mitkomme?«
    »Nein. Ich ... Ich denke, ich sollte allein gehen.« Der erste Schritt weg von ihm fiel ihr am schwersten. Die folgenden kamen fast wie von selbst. Als sie neben Victor stand, erforschte sie ihr Herz. Diesen beiden Menschen verdankte sie ihr Leben, dachte sie. Dieser Frau, die in ihrer Schönheit nur zu schlafen schien, und diesem Mann, der ihren Schlaf mit von Gram gezeichneten Augen bewachte. Wenn sie auch noch nicht an die beiden als ihre Eltern denken konnte, so konnte sie doch fühlen, dass es so war. Ihrem Herzen folgend, legte sie ihre Hand auf seine.
    »Sie hat Sie geliebt, mehr als irgendjemanden sonst. Eines der letzten Dinge, die sie mir erzählt hat, war, wie glücklich Sie sie gemacht haben.«
    Seine Finger zitterten. »Ich habe ihr nie genug gegeben. Konnte es nicht.«
    »Sie haben ihr mehr gegeben, als Ihnen bewusst ist, Victor. Für so viele andere war sie ein Star, ein Produkt, ein Bild. Für Sie war sie eine Frau. Die Frau.« Sie presste die Lippen zusammen und hoffte, es war richtig, was sie tat, was sie sagte. »Sie hat mir einmal erzählt, das einzige, was sie in ihrem Leben bedauert hat, war, dass sie gewartet haben, bis der Film damals fertig war.«
    Er wandte sich zur Seite, schaute statt Eve die Tochter an, von der er nicht wusste, dass sie es war. In diesem Augenblick merkte Julia, dass sie die Augen ihres Vaters geerbt hatte, diese dunkelgrauen Augen, die je nach Gefühlslage von Rauch zu Eis wechseln konnten. Sie trat schnell einen Schritt zurück, aber da bedeckte er schon ihre Hand mit der seinen.
    »Sie wird mir fehlen, in jedem Augenblick meines weiteren Lebens.«
    Julia verschränkte ihre Finger mit seinen und führte ihn zu der Kirchenbank, in der Paul auf sie wartete.
    Die Autoschlange, die langsam zu Forest Hills fuhr, bildete über Meilen hinweg ein schwarzes Band. Einige Menschen in den Wagen trauerten ehrlich. Andere, eingekuschelt in den kühlen Luxus eines gemieteten Wagens, trauerten in einer mehr abstrakten, allgemeinen Weise, so wie viele es tun, wenn sie hören, dass eine Berühmtheit gestorben ist. Sie trauern um den Verlust eines Namens, eines Gesichts, einer Persönlichkeit. Darin liegt keine Geringschätzung für diesen Menschen, es ist einfach ein Tribut an sein Image.
    Einige waren dankbar dafür, dass sie auf der Gästeliste standen. Mit Sicherheit würde ein solches Ereignis in der Presse viel Raum einnehmen. Auch das schmälerte nicht die Bedeutung der Verstorbenen. Es war einfach Geschäft.
    Es gab auch andere, die ganz und gar nicht trauerten, sondern in der ruhigen Kabine eines großen, bequemen Wagens Freude empfanden, hell und glänzend wie der im Sonnenschein funkelnde Autolack.
    In gewisser Weise konnte man auch das als Tribut auffassen.
    Aber Julia, die aus dem Wagen stieg, um den kurzen Weg zur Grabstätte zurückzulegen, paßte zu keiner dieser Gruppen. Sie hatte ihre Eltern schon begraben müssen und hatte den schweren Schritt von einer Tochter zu einer Waise schon hinter sich. Trotzdem erfüllte sie ein tiefer Schmerz. Heute würde sie eine andere Mutter beerdigen und sich wieder ihrer eigenen Sterblichkeit bewußt werden.
    Als sie vor dem Grab stand und den Duft von Gras, Erde und Blumen roch, vergaß sie die Gegenwart und ließ ihre Gedanken in die Vergangenheit schweifen.
    Sie dachte daran, wie sie mit Eve neben dem Swimmingpool gelacht und ein wenig zu viel Wein getrunken und viel zu offen mit ihr geredet hatte. Wie war es möglich gewesen, dass sie Eve so vieles anvertrauen konnte?
    Wie sie zusammen bei Fritz geschwitzt, geflucht und sich atemlos beklagt hatten. Und dann diese seltsame Intimität von zwei halbnackten Frauen, die ihrer Eitelkeit große Opfer brachten.
    Sie hatten Geheimnisse geteilt, Vertrauliches, und sie hatten Lügen entschärft. Wie leicht es gewesen war, Freundschaft zu schließen.
    Ob es das war, was Eve gewollt hatte? Freundschaft mit ihr schließen, dafür sorgen, dass sie Eve als wirklichen Menschen sah, mit all seiner Verwundbarkeit? Und dann ...
    Was für eine Rolle spielte das noch? Eve war tot. Und der Rest der Wahrheit, wenn es einen solchen Rest gab, würde nie mehr ans Licht kommen.
    Julia trauerte, obwohl sie nicht wusste, ob

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