Erinnerung Des Herzens
sie je würde verzeihen können.
»Mist.« Frank fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht. Er musste eine unangenehme Entscheidung treffen. Er sah nur einen einzigen Weg, den Mordfall aufzuklären, und der führte direkt zu Julia.
In seinem ganzen Berufsleben hatte Frank sich immer stark auf seinen Instinkt verlassen. Ein sicheres inneres Gefühl konnte einen Polizisten durch das Labyrinth von Verdachtsmomenten, Ereignissen und die Verfahrensweisen führen. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass sein Instinkt sich schon jemals während seiner ganzen Karriere so stark gegen die Tatsachen gewandt hätte.
Sie lagen ihm alle vor, säuberlich zusammengestellt in dem dicken Aktenordner, den er in den vergangenen drei Tagen angelegt hatte.
Die Berichte der Spurensicherung, der Autopsie, die unterschriebenen Protokolle der Verhöre mit den Leuten, die er oder einer seiner Mitarbeiter befragt hatten.
Vor allem aber machte ihm der Zeitpunkt der Tat zu schaffen. Der konnte einfach nicht ignoriert werden.
Beide, die Haushälterin und die Sekretärin, hatten Eve Benedict am Mordtag einige Minuten vor ein Uhr gesehen. Gloria DuBarry hatte sie nach einem kurzen privaten Gespräch mit Eve kurz vorher verlassen. Julia Summers war ziemlich genau gegen ein Uhr beim Tor angelangt, hatte mit dem Wächter geplaudert und war dann hineingefahren. Der Notruf aus dem Gästehaus war um ein Uhr zweiundzwanzig bei der Polizei eingetroffen.
Julia hatte kein Alibi für diesen Zeitraum, für diese zweiundzwanzig Minuten, in denen Eve Benedict aller Wahrscheinlichkeit zufolge ermordet worden war.
Der Schlag mit dem schweren Schüreisen aus Messing hatte den Tod herbeigeführt. Julias Fingerabdrücke waren die einzigen, die man darauf gefunden hatte.
Außer dem Vordereingang waren alle Türen verschlossen gewesen. Julia hatte zugegeben, dass sie die Vordertür selber aufgeschlossen hatte. Eve hatte keine Schlüssel bei sich gehabt.
Das waren nur Indizien, sicher, aber verdammt wichtig genug, wenn man den Streit zwischen den beiden Frauen in Betracht zog, der in mehreren Verhören zur Sprache gekommen war.
Offenbar hatte Julia Summers einen heftigen Wutanfall gehabt, als sie erfuhr, dass sie Eve Benedicts Tochter war.
»Sie schrie und drohte«, las er in Travers Verhörprotokoll.
»Ich hörte sie und lief nach draußen. Sie stieß den Tisch um, so dass das Porzellan auf den Fliesen zerschellte. Sie war leichenblass und warnte Eve, ihr nicht zu nahe zu kommen. Sie sagte, sie könnte sie töten.«
Natürlich sagten die Leute so was alle Tage, dachte Frank, und kratzte sich am Nacken. Es war einfach Pech, wenn irgend jemand tatsächlich starb, kurz nachdem ein anderer eine dieser allgemein üblichen Redewendungen gebraucht hatte.
Frank konnte es sich nicht länger leisten, seinem Instinkt mehr zu trauen als den Tatsachen, zumal der Gouverneur bereits Druck auf seinen eigenen Vorgesetzten ausübte.
Er musste Julia zum Verhör kommen lassen.
Der Anwalt räusperte sich, als er einen Blick in die Runde warf. Alles war genauso, wie Eve es gefordert hatte. Greenburg fragte sich, ob sie gewusst hätte, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb, als sie darauf bestanden hatte, alles so rasch wie nur möglich zu regeln.
Er zog sich am Tisch hoch. Er war kein sehr phantasievoller Mann. Eve war immer in Eile gewesen. Die Heftigkeit, mit der sie an die neue Fassung ihres Testamentes herangegangen war, hatte sie bei jedem Unternehmen gezeigt. Die Änderungen waren von brutaler Einfachheit. Das war eine weitere Eigenschaft, die Eve auszeichnete, wenn sie in der richtigen Stimmung dafür war.
Als er anfing zu reden, wurde es still im Zimmer. Selbst Drake, der sich gerade einen neuen Drink eingoss, hielt inne. Als der Anwalt anfing, die übliche Liste von Vermächtnissen an die Angestellten und Wohltätigkeitsvereine zu verlesen, fuhr Drake fort, sich Alkohol einzugießen.
Man hörte das leise Geräusch einer Flüssigkeit, die in ein Kristallglas fließt.
Die persönlichen Vermächtnisse waren bis ins einzelne festgelegt. Maggie hinterließ Eve ein ganz bestimmtes Paar von Smaragdohrringen, eine dreireihige Perlenkette und ein Gemälde von Wyeth, das die Agentin immer bewundert hatte.
Rory Winthrop bekam ein Paar Dresdener Kerzenhalter, welches sie im ersten Jahr ihrer Ehe gekauft hatten, und einen Buchband von Keats.
Gloria fing an, an der Schulter ihres Mannes zu schluchzen, als sie hörte, dass sie einen antiken Schmuckkasten geerbt
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