Erinnerung Des Herzens
ungenutzt vorübergehen zu lassen. Ob es sich um französische Stubenmädchen handelte oder um irische Köchinnen, um Damen der Gesellschaft oder schillernde leichte Mädchen, Rory fand mit einem Blick heraus, wo er landen konnte, um seine männliche Pflicht zu erfüllen und das Ding irgendwo reinzustecken.« Sie grinste und füllte ihr Glas noch einmal mit Saft und Champagner. »Die ständige Untreue hätte ich ertragen können, das hatte nichts mit uns zu tun, aber leider hielt Rory es auch noch für erforderlich, mich laufend anzulügen. Ich konnte nicht bei einem Mann bleiben, der mich für so dumm hielt, dass ich seine erbärmlichen Geschichten glaubte.«
»Seine Treulosigkeit hat Sie nicht gestört?«
»Das habe ich nicht gesagt. Wenn ich mich mehr um Rory gekümmert hätte und weniger um Paul, wäre es vielleicht nicht zu einer netten, ruhigen Scheidung gekommen, sondern die Angelegenheit hätte einen, sagen wir, brisanteren Verlauf genommen.«
Julia fing an, Eve zu versehen. Sie selber hatte ihrem Kind zuliebe darauf verzichtet, den Vater anzuprangern. »Obwohl Ihre Verbindung mit Rory schon vor Jahren aufgehört hat, haben Sie immer noch eine enge Verbindung zu seinem Sohn.«
»Ich liebe Paul. Oft habe ich fast das Gefühl, er wäre mein eigener Sohn.« Unmittelbar nachdem sie eine Zigarette ausgedrückt hatte, zündete sie sich eine neue an. Dieses Geständnis schien ihr sehr schwergefallen zu sein. »Ich wollte diesem Jungen eine Mutter sein. Ich war gerade vierzig, genau der Zeitpunkt, an dem eine Frau weiß, dass ihre biologische Uhr sich nicht mehr zurückdrehen läßt. Und da war plötzlich dieses lebhafte, hübsche Kind, genauso alt wie Ihr Brandon heute.« Sie trank einen Schluck, um Ihre Emotionen wieder unter Kontrolle zu bekommen.
»Und Pauls Mutter?«
»Marion Heart? Eine hinreißende Schauspielerin. Als sie nach Hollywood kam, wirkte sie ein bisschen snobistisch. Schließlich war sie Theaterschauspielerin. Sie und Rory zerrten das Kind dauernd hin und her zwischen New York und Los Angeles. Für Marion war Paul so etwas wie ein Haustier, das sie impulsiv gekauft hatte und nun füttern und spazierenführen musste.«
»Aber das ist entsetzlich!«
Zum ersten Mal hörte Eve echtes Gefühl in Julias Stimme. »Sehr viele Frauen befinden sich in der gleichen Lage. Sie glauben mir das nicht, wegen Brandon. Aber ich schwöre Ihnen, nicht alle Frauen nehmen die Mutterrolle freudig an. Der Junge wurde gut behandelt. Weder Rory noch Marion dachten im Traum daran, ihm etwas zuleide zu tun. Er wurde auch nicht vernachlässigt. Aber sie interessierten sich nicht für ihn.«
»Das muss ihn verletzt haben«, murmelte Julia.
»Man vermisst nicht unbedingt etwas, das man nie kennengelernt hat.« Eve stellte fest, dass Julia aufgehört hatte, sich Notizen zu machen, und nur noch zuhörte. »Als ich Paul begegnete, war er ein intelligenter und sehr selbstbewusster
Junge. Kein Kind, dem man plötzlich die hingebungsvolle Mama vorspielen konnte, selbst dann nicht, wenn ich gewußt hätte, wie ich das anfangen sollte. Aber ich konnte ihm Beachtung und Freude schenken. Tatsächlich denke ich oft, dass ich Rory nur deshalb geheiratet habe, weil ich so vernarrt in seinen Sohn war.«
Sie setzte sich zurück. »Natürlich kannte ich Rory schon lange. Wir verkehrten in denselben Kreisen. Wir fühlten uns beide voneinander angezogen, aber wir hatten immer Pech. Wenn ich frei war, war er gebunden und umgekehrt. Dann drehten wir zusammen einen Film.«
»Fancy Face.«
»Ja, eine Liebeskomödie, und zwar eine verdammt gute. Die Dreharbeiten gehören zu meinen besten Erinnerungen. Ein gutes, witziges Drehbuch, ein talentierter Regisseur, elegante Garderobe und ein Partner, der wusste, wie man erotische Funken zum Zünden brachte. Nach zwei Wochen hatte es uns beide erwischt.«
Ein wenig betrunken betrat Eve zum ersten Mal Rorys Strandhaus in Malibu. Sie hatten lange gedreht und anschließend in einem Lokal zu Abend gegessen, wo nur junge Leute verkehrten, die sie nicht kannten, weil sie sich keine Filme mit Eve Benedict und Rory Winthrop anschauten. Rory hatte eine Münze nach der anderen in die Musicbox geworfen, so dass ihr Gelächter und ihr erotisches Vorgeplänkel ständig von den Songs der Beach Boys begleitet gewesen waren.
Dann waren sie in seinem Mercedes nach Malibu gerast. Eve hatte diesen Abend sorgfältig ausgewählt. Am nächsten Tag waren keine Dreharbeiten angesetzt, so dass sie sich keine Sorgen zu
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