Erinnerung Des Herzens
Mutter hatte immer das Motto beherzigt »Wer die Rute schont, verdirbt das Kind«, und sie hatte die Rute mit frommem Eifer und glänzenden Augen geschwungen.
Delkrickios Motto lautete »Geschäft ist Geschäft«, und er würde Drake in kleine Scheibchen schneiden - mit derselben Gelassenheit, mit der ein Mann seine Nägel feilt.
Drake hatte gerade zum vierten Mal auf die Uhr gesehen, als Delrickio ankam. »Du trinkst zuviel Kaffee.« Er lächelte, als er Platz nahm. »Das schadet deiner Gesundheit.«
Michael Delrickio wurde bald sechzig. Er nahm seinen Cholesterinspiegel ebenso ernst wie das Geschäft, das er von seinem Vater übernommen hatte. Infolgedessen war er beides, reich und gesund. Sein olivfarbener Teint bildete einen auffälligen Kontrast zu seinem stahlgrauen Haar und dem üppigen Schnurrbart. Er ließ sich jede Woche das Gesicht massieren. Seine Hände waren weich und hatten die langen, spitz zulaufenden Finger eines Geigers. Außer seinem goldenen Ehering trug er keinen Schmuck. Seine tiefliegenden dunkelbraunen Augen konnten strahlen, wenn er seine Enkelkinder beobachtete, sich mit Tränen füllen, wenn er eine schmelzende Arie hörte, und völlig ausdruckslos werden, wenn er bestimmte Befehle erteilte.
Wenn es ums Geschäft ging, waren Delrickios Gefühle nur sehr selten betroffen.
Obwohl er Drake für einen Dummkopf hielt, mochte er ihn irgendwie, auf eine onkelhafte Weise. Nur deshalb hatte er dieses persönliche Treffen mit ihm vereinbart und nicht irgend jemanden geschickt, um ihm das hübsche Gesicht zu demolieren.
Delrickio wartete auf die Bedienung. Obwohl das Restaurant überfüllt war, man hörte Kinder greinen und Geschirr klappern, wurde er trotzdem sofort bedient. Es lag nicht nur an seinem teuren italienischen Anzug, es lag vielmehr daran, dass man ihm ansah, dass er ein mächtiger Mann war.
»Grapefruitsaft«, sagte er mit seinem leichten Bostonakzent. »Eine Schale Melonenstücke, sehr kalt, und trockenen Vollkorntoast. So«, meinte er, als die Kellnerin gegangen war, »dir geht es gut?«
»Ja.« Drake fühlte, wie seine Handflächen feucht wurden. »Und Ihnen?«
»Gesund wie ein Roß.« Delrickio lehnte sich zurück und schlug sich auf den flachen Bauch. »Meine Maria kocht die besten Linguini in den Vereinigten Staaten, aber ich nehme nur ganz kleine Portionen, esse mittags nur einen Salat und gehe dreimal in der Woche zur Gymnastik. Mein Cholesterinspiegel beträgt 170.«
»Das ist großartig, Mr. Delricko.«
»Wir haben nur diesen einen Körper.«
Drake wollte nicht, dass sein einziger Körper zerlegt würde wie ein Truthahn. »Und Ihre Familie?«
»Ausgezeichnet.« Er lächelte, ganz der glückliche Papa. »Angelina hat mir vorige Woche einen weiteren Enkel geschenkt. Jetzt habe ich vierzehn Enkelkinder.« Seine Augen verschleierten sich. »Darin liegt die Unsterblichkeit eines Mannes. Auch du, Drake, solltest dich verheiraten mit einem hübschen Mädchen und ihr Kinder machen. Dann hätte dein Leben einen Mittelpunkt.« Er beugte sich vor, ein besorgter Vater, der weise Ratschläge erteilte. »Mit hübschen Mädchen zu schlafen, das ist eine andere Sache. Ein Mann ist schließlich ein Mann. Aber nichts kann die Familie ersetzen.«
Drake brachte es fertig zu lächeln, als er seine Tasse hob.
»Ich suche noch nach der Richtigen.«
»Wenn du aufhörst, mit deinem Schwanz zu denken, und anfängst mit dem Herzen zu denken, wirst du sie finden.«
Er seufzte, als das Essen serviert wurde, dann sah er Drake ernst an: »Du bist in der Lage, deine Schulden zu begleichen?«
Drake blieb der Bissen in der Kehle stecken. Als er ihn schließlich heruntergewürgt hatte, sagte er: »Wissen Sie, ich hatte ein paar Verluste. Gerade im Augenblick bin ich knapp mit Bargeld. Aber ich kann Ihnen als Zeichen meines guten Willens zehn Prozent geben.«
»Zehn Prozent.« Delrickio spitzte den Mund, als er ein wenig Erdbeermarmelade auf seinen Toast strich. »Und die anderen Neunzigtausend?«
Neunzigtausend. Drake wurde ganz übel bei dem Gedanken. »Sobald sich die Lage bessert. Alles, was ich brauche, ist ein einziger Treffer.«
Delrickio tupfte sich die Lippen mit der Serviette ab. »Das habe ich früher schon von dir gehört.«
»Ich weiß. Aber diesmal ...«
Delrickio brauchte nur die Hand zu heben, und schon verstummte Drake. »Ich mag dich, Drake, deshalb sage ich dir, Glücksspiel ist etwas für Dummköpfe. Für mich gehört es zum Geschäft, aber es macht mir keinen Spaß
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