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Erinnerung Des Herzens

Erinnerung Des Herzens

Titel: Erinnerung Des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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es nicht mehr aushalten auf ihrem Platz und ging an eines der Fenster. »Er hat seinen Sohn verleugnet, all die Jahre lang?«
    »Er ist nicht der erste und auch nicht der letzte, der so handelt, oder?«
    Julia wandte sich um. Sie spürte die Sympathie und das Verständnis Eves und hatte plötzlich keine Vorbehalte mehr, sich ihr anzuvertrauen. »Aber ich habe mich damals für den gleichen Weg entschieden, was Brandons Vater betraf, und ich war nicht mit ihm verheiratet. Aber Travers war mit Tommys Vater verheiratet.«
    »Ja, das stimmt. Aber Tony hatte bereits zwei vollkommen gesunde und überaus verwöhnte Kinder von seiner ersten Frau. Er war fest entschlossen, ein Kind, das mit einem so schweren Makel behaftet war, nicht zur Kenntnis zu nehmen.«
    »Sie hätten ihm die Eier abschneiden sollen.«
    Wieder lächelte Eve. Sie war froh, dass Julia wütend war und nicht mehr traurig. »Nun, diese Gelegenheit habe ich leider versäumt, zumindestens im wörtlichen Sinn.«
    »Erzählen Sie mir von Travers Sohn.«
    »Tommy ist fast vierzig. Er ist hilflos wie ein Kleinkind, unsauber, unfähig, sich selbst anzuziehen, er muss gefüttert werden. Niemand hat erwartet, dass er das Erwachsenenalter überhaupt erreichen würde. Aber es ist ja nicht der Körper, der krank ist, sondern der Geist.«
    »Wie konnte sie es fertigbringen zu behaupten, dass ihr Kind tot ist?«
    »Sie dürfen sie nicht verurteilen, Julia.« Eves Stimme klang jetzt viel sanfter. »Sie hat furchtbar gelitten. Travers nahm Tonys Bedingungen an, weil sie Angst hatte, er könnte dem Kind etwas antun. Und weil sie sich selber die Schuld gibt an Tommys Zustand. Sie ist überzeugt davon, dass die, sagen wir, ungesunden Sexualpraktiken, die sie angewendet haben, als ihr Sohn gezeugt wurde, für seinen Zustand verantwortlich sind. Das ist natürlich Unsinn, aber sie glaubt daran. Vielleicht ist es besser für sie. Auf jeden Fall lehnte sie jede Hilfe von meiner Seite ab, war aber damit einverstanden, für mich zu arbeiten. Das tut sie jetzt seit bald dreißig Jahren, und ich habe ihr Geheimnis bei mir behalten.«
    Nein, dachte Julia, sie konnte sie nicht verurteilen. Sie wusste nur zu gut, dass einer alleinstehenden Frau oft kaum eine Wahl blieb. »Bis jetzt haben Sie es bei sich behalten.«
    »Bis jetzt.«
    »Warum wollen Sie, dass das alles jetzt öffentlich bekannt wird?«
    Eve setzte sich zurück. »Tony kann dem Jungen nichts mehr anhaben und Travers auch nicht. Dafür habe ich gesorgt. Meine Ehe mit ihm ist ein Teil meines Lebens, und ich habe mich entschieden, dieses Leben ohne Lügen aufzudecken, Julia.«
    »Wenn er herausbekommt, was Sie mir erzählt haben, und die Möglichkeit sieht, dass es veröffentlicht wird, wird er versuchen, das zu verhindern.«
    »Ich habe seit langem aufgehört, mich vor Tony zu fürchten.«
    »Ist er fähig zu Gewalttätigkeiten?«
    Eve bewegte die Schultern. »Jeder ist fähig zu Gewalttätigkeiten.«
    Ohne etwas zu sagen, griff Julia in ihre Brieftasche und holte die beiden anonymen Zettel hervor. Sie gab sie Eve, die blaß wurde, als sie sie las. Dann blickte sie Julia an. Ihre Augen waren dunkler geworden.
    »Woher haben Sie die?«
    »Einer wurde am Zaun vor dem Gästehaus gefunden. Der andere ist mir gestern abend in die Handtasche gesteckt worden.«
    »Ich werde mich darum kümmern.« Sie schob beide Zettel in die Tasche ihres Kleides. »Sollten Sie noch welche bekommen, so geben Sie sie mir.«
    Julia schüttelte langsam den Kopf. »Das reicht nicht, Eve. Sie sind an mich gerichtet, deshalb habe ich das Recht auf eine Klärung. Soll ich sie als Drohungen betrachten?«
    »Ich halte sie mehr für erbärmliche Warnungen von einem Feigling.«
    »Wer könnte eine davon am Zaun hinterlassen haben?«
    »Das ist genau das, was ich herausfinden werde.«
    »In Ordnung.« Julia hatte Respekt vor dem Ton, in dem Eve das gesagt hatte, und vor ihrem entschlossenen Blick. »Sagen Sie mir eins: Gibt es außer Anthony Kincade noch irgend jemanden, den der Gedanke an Ihre Biographie so nervös macht, dass er solche Zettel schreiben könnte?«
    Jetzt lächelte Eve. »Meine liebe Julia, da kommen mehrere in Frage.«

8

    Eve dachte nicht oft an Tony und diese Zeit in ihrem Leben zurück, in welcher sie sich der dunkleren Seite des Sex verschrieben hatte. Schließlich hatte es sich alles in allem doch nur um fünf Jahre ihres reichen Lebens gehandelt. Sie hatte mit Sicherheit noch mehr Fehler gemacht, andere Dinge getan, andere Vergnügungen

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