Erinnerung Des Herzens
den sie gewannen, drückte Drake sich enger in die Sesselecke. Seine Augen wurden feucht, als sie einen soliden Verteidigungsring errichteten.
»Einen verdammten Touchdown«, brüllte er und sprang auf, als das Signal für den Anbruch der letzten zwei Minuten ertönte. Seine Beine reagierten wie verrostete Sprungfedern.
Fünfzigtausend Dollar. Er ging auf und ab und ließ die Fingerknöchel knacken. Nicht auszudenken, was Delrickio tun würde, wenn er seine Schulden nicht begleichen konnte. Er preßte seine zitternden Finger vor die Augen.
Wie konnte er das nur gemacht haben? Wie konnte er fünfzigtausend Dollar auf dieses verfluchte Spiel setzen, wenn er dem Kerl neunzigtausend schuldete?
Nach der Werbeeinschaltung blieb Drake vor dem Fernseher stehen. Seine Verzweiflung wuchs. Direkt vor seiner Nase krabbelten auf dem Bildschirm große, schwitzende Männer herum.
Drei Meter gewonnen.
Drake fing an, auf seinen Nägel herumzubeißen.
Das Team formierte sich neu. Er konnte keinen Unterschied erkennen. Was sollte das, verflucht noch mal?
Sechs Meter verloren.
Und die letzte Gnadenfrist verstrich. Er fing an zu heulen. Ein erwachsener Mann, der in einem Zimmer voller Spielsachen weinte und schluchzte. Der Harndrang war so stark, dass er von einem Fuß auf den anderen hüpfte. Keine Minute Spielzeit mehr, und die gegnerische Verteidigung hielt. Endlich setzte sein Team zum Sturm an. Er keuchte. Als die Spieler handgemein wurden und Helfer eingriffen, um die Hitzköpfe voneinander zu trennen, hätte Drake ihnen am liebsten die Köpfe so heftig zusammengestoßen, dass Blut floß. Statt dessen flössen nur seine Tränen, als die Messung vorgenommen wurde.
»Bitte, bitte, bitte«, flehte er.
Zu kurz, nur ein paar Meter vor dem Countdown. Jede Hoffnung zerrann. Als der Ball in andere Hände überging, war das Spiel endgültig vorüber.
Weinend stand Drake vor dem Fernseher. Die großen Männer nahmen ihre Helme ab, Triumph oder Bedauern zeichnete sich auf ihren harten Gesichtern ab.
Die Zeit war abgelaufen, und mehr als ein Leben hatte sich verändert.
10
Um zehn Uhr morgens humpelte Julia in den kreisrunden Empfangsraum von Drake Morrisons Büro. Sie gab sich Mühe, nicht zusammenzuzucken vor Schmerz, als sie den Raum durchquerte, um sich an der Rezeption bei einer tüchtig aussehenden Brünetten anzumelden.
»Mr. Morrison erwartet Sie«, sagte sie mit einer seidenweichen Altstimme, mit welcher sie männliche Klienten am Telefon bestimmt mühelos einlullen konnte. »Wenn Sie vielleicht noch ein paar Minuten Platz nehmen möchten.«
Nichts auf der Welt hätte Julia lieber getan. Mit einem langen stillen Seufzer setzte sie sich auf eines der Sofas und gab sich den Anschein, aufmerksam in dem Magazin Premiere zu lesen. Sie hatte das Gefühl, als wäre sie langsam und methodisch mit einem eingewickelten Baseball zusammengeschlagen worden.
Eine einstündige Sitzung mit Fritz, und sie musste um Gnade bitten. Er schaute sie freundlich an, ermutigte sie, schmeichelte ihr, ließ sich aber nicht erweichen.
Julia dachte daran, dass sie eine Seite weiterblättern musste, während die Dame an der Rezeption in den Hörer säuselte, wie Lauren Bacall in ihrer besten Zeit. Von der Seite gesehen hatte sie einen Busen, neben dem der von Dolly Parton kümmerlich gewirkt hätte.
Julia setzte sich behutsam zurück und ließ ihre Gedanken wandern.
Trotz der Schmerzen war es ein interessanter Morgen gewesen. Anscheinend wurden Frauen zugänglicher, wenn sie gemeinsam Folterqualen erleiden mussten. Eve war freundlich und amüsant gewesen, besonders als Julia alle Würde vergessen und gegen Ende eine Reihe von Flüchen ausgestoßen hatte. Und es hatte sich als schwierig, wenn nicht unmöglich erwiesen, eine berufsbedingte Distanz zu wahren, als sie erschöpft und nackt gemeinsam duschten.
Sie hatten weniger über andere Leute gesprochen als vielmehr über Dinge. Julia hatte festgestellt, dass Eve ganz begeistert von Gärten war. Dann war die Rede von der Musik gewesen, die sie bevorzugte, und von ihren liebsten Städten. Erst später war Julia klargeworden, dass es sich weniger um ein Interview gehandelt hatte, als um einen Schwatz. Und, dass Eve mehr von Julia erfahren hatte als Julia von Eve.
Je mehr sie gelitten hatte, desto bereitwilliger hatte sie von sich berichtet. Es war ihr leicht gefallen, ihr Haus in Connecticut zu beschreiben und zu erzählen, wie gut der Wechsel von New York dorthin für Brandon gewesen war, und
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