Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
sich die Krawatte ins Hemd! Man muss mit jemandem leben, um zu erkennen, dass man ihn nicht ausstehen kann. Wir hatten vorher nicht versucht, zusammenzuleben, die Italienreise zählte nicht, und jetzt wusste ich, dass ich ihn nicht ertragen konnte. Oh, natürlich, er ließ sich belehren. Sobald er verinnerlicht hatte, dass mein Vater in Bristol, selbst wenn meine Eltern allein dinierten, sein grünes oder pflaumenblaues Smoking-Jacket aus Samt mit Foulard oder schwarzer Fliege trug und meine Mutter einen langen Rock und dass man sich vor dem Dinner umzog, hätten ihn in Straßenkleidung keine zehn Pferde mehr an den Tisch zerren können. Ich fand auch diese Bereitwilligkeit, sich anzupassen, abstoßend – so bemüht, so unnatürlich. Nur in der Sache der Beteiligung an der Hausarbeit, da war nichts zu machen, da war er zu fest verankert. Da ging es um die Bedeutung seiner Arbeit. Wenn er von der Arbeit nach Hause kam, hatte alles hübsch hergerichtet zu sein. Für ihn! Damit er die richtige Atmosphäre für das vorfand, was er gerade tat. Dass meine Chefin Emily in Urlaub war und ich auchnoch zu Hause an Manuskripten arbeiten musste, damit nicht zu viel liegenblieb, half nicht gerade.
Noch schlimmer wurde es, als das Semester anfing und er zusätzlich zu seiner Forschungsarbeit den Kurs vorbereiten musste, den er an der Business School gab. Man hätte denken können, er verdiene einen Orden, weil alles, was er tat, so besonders war und weil er alles so gut schaffte. Unterdessen machte ich Jerzy Kosinskis Manuskript satzfertig, und das war schwierig, nicht nur, weil ich es in ordentliches Englisch brachte, sondern auch weil Emily sich darauf versteift hatte, dass es im Grunde eine wahre Geschichte sei, dass er erzähle, was er in Polen während des Krieges tatsächlich erlebt hatte, und dass es deshalb als Autobiographie veröffentlicht werden solle, und davon ließ sie sich nicht abbringen, obwohl klar war, wenn man Jerzy vorsichtig danach fragte, dass das Buch eine brillante, einfallsreiche Erfindung war, die nur als Roman publiziert werden konnte. Tatsache ist, dass Jerzy mich mochte. Nicht nur so, wie die meisten Männer, mit Sex im Sinn, sondern weil ich ihm mit dem Manuskript geholfen hatte. Wir hatten nichts miteinander, aber als Thomas ihm endlich bei Emily begegnete, gab er sich verschlossen und unnahbar – eine Haltung, die ihm schon zur Routine geworden war – und konnte kaum sprechen, weil er die Anziehungskraft sofort gespürt hatte. Natürlich sah Jerzy genau, was los war, und reizte Thomas mit Sticheleien. Das passierte jedes Mal, wenn er und Thomas zusammentrafen, und es war sehr schade, denn als wir nach New York umzogen, war Jerzy einer der wenigen interessanten Menschen, die wir kannten, und durch ihn hätten wir alle und jeden kennenlernen können.
Eine Weile lang bemühte ich mich sehr, für uns eine Welt außerhalb der Business School und unabhängig von Thomas’ Kollegen zu schaffen. Die meisten davon waren öde, und die wenigen anderen konnten mich gut leiden, aber wenn sie das zeigten, benahm sich Thomas wie ein verwöhntes Gör, oder er machte eine Szene, nach ihrem Aufbruch, wenn sie bei uns gewesen waren, oder wenn wir von einer Einladung nach Hause kamen. Ich nahm Kontakt auf mit ein paar Radcliffe-Studentinnen aus meinem Jahrgang, die in Boston oder in den Vororten wohnten. Eine war auch mit mir zusammen in Farmington gewesen. Ich stellte mir vor, dass alte Freundschaften erneuert werden könnten. Da ich mich ständig vor lauter Müdigkeit ganz ausgelaugt fühlte, fiel mir das nicht leicht, aber ich nahm die Mühe auf mich. Die Reaktion einiger alter Freundinnen – eine wohnte in Dover und eine in Cambridge – war wunderbar. Das rief mir ins Gedächtnis, dass es auch seine guten Seiten hatte, Lucy De Bourgh zu sein. Sie wollten mich wirklich sehen, Thomas kennenlernen, uns mit ihren Freunden bekannt machen. Aber nach einem Dinner oder Lunch an einem Wochenende in ihrem Haus, gefolgt von einem Essen bei uns oder in einem italienischen Restaurant merkte ich, dass es keinen Sinn hatte. Sie hatten sich kurz nach dem Examen mit Männern verheiratet, die ein paar Jahre älter waren. Einer war Anwalt. Der andere arbeitete für Raytheon als wissenschaftlicher Berater. Ihre Hochzeiten waren ausgerichtet, wie es sich gehört, mit hübschen Einladungskarten von Shreve, Crump & Low, Brautjungfern und Zeremonienmeister; sie hatten Kinder im Kindergarten oder in der ersten oder zweiten Klasse;
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