Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
etwas mit mir. Ich war schon fertig angezogen, aber ich konnte nicht hingehen. Ich konnte das Haus nicht verlassen. Ich setzte mich auf den Fußboden und schrie. Na schön, er würde die Sitzordnung an seinem Tisch ändern müssen, aber sonst war es keine große Sache. Er sagte: Hör auf mit diesem Lärm, oder ich rufe deinen Doktor an. Ich hörte nicht auf, wollte es auch gar nicht. Also gut, sagte er. Ich rufe ihn an. Ich war vor ihm am Telefon. Das Kabel, das den Apparat mit der Buchse verband, war sehr lang, so dass wir ihn überall im Wohnzimmer benutzen konnten. Ich warf das Telefon mit aller Kraft auf Thomas und zielte auf seine Brust. Aber der Wurf war schlecht; ich traf ihn im Gesicht. Er sah nach, ob seine Nase blutete – natürlich nicht, er war nur an der Lippe verletzt –, und dann schlug er mich, heftig; auf meiner Wange blieb ein roter Striemen. Du siehst, ich hatte Grund, mich zu fürchten.
Er kam viel früher wieder in die Wohnung, mitten am Nachmittag. Ich war in der Bibliothek. Er sagte kein Wort. Ich auch nicht. Ein paar Minuten danach sah ich ihn mit einem Koffer in der Hand. Er muss zu dem Schrank gegangen sein, in dem wir die Koffer verstaut hatten. Er ging damit ins Schlafzimmer, ich folgte ihm, und er warf seine Kulturtasche, Fotos von Jamie, die auf seinem Nachttisch standen, und einen Anzug hinein. Vielleicht noch ein paar Hemden und so weiter. Alles vollkommen stumm, während ich zusah. Als er fertig war, ging er in Jamies Zimmer. Ich folgte ihm wieder. Jamie hatte gerade die Schulaufgaben erledigt, und Hugh Cowles, der Lehrer vom St. Bernard’s, der nachmittags mit ihm arbeitete, wollte gehen. Thomas sagte auf Wiedersehen zu ihm, seine Stimme klang ganz normal. Das waren die ersten Worte, die ich ihn sagen hörte, seit er nach Hause gekommen war. In dem Moment dann, in dem Hugh die Tür hinter sich zumachte, sagte dieses Monster zu Jamie, er werde nicht mehr mit uns in dem Apartment wohnen, aber sie würden viel zusammen machen, lauter solchen Unsinn, und im Herbst würde er ja ohnehin nach Exeter ins Internat gehen, dann wäre sowieso alles anders. Jamie solle sich nicht sorgen. Wiekonnte das Monster wissen, ob ich ihn in die Nähe des Kindes lassen würde? Wie du dir vorstellen kannst, fing Jamie an zu weinen, und als Thomas versuchte, ihn zu beruhigen, sagte er, und das werde ich nie vergessen, er war damals so ein liebes Kind: Ich hab dich lieb, Daddy, ich wünsch mir so, dass du bei Mommy und mir bleibst!
Ich weiß nicht mehr, welche Antwort ihm Thomas gab. Er nahm seinen Koffer und ging, ohne ein Wort zu mir zu sagen. Ich wusste nicht mal, wohin. Später rief seine Sekretärin an und sagte, er sei im Plaza zu erreichen, aber nur – ich höre noch die Genugtuung in ihrer Stimme, als sie das sagte, diese Frau hasste mich –, aber nur im äußersten Notfall. Ist das zu glauben? Dieser Mistkerl kam nie mehr in die Wohnung, er holte nicht mal seinen Kram ab. Als die Sekretärin vielleicht einen Monat später wieder anrief und mir die Adresse seiner neuen Wohnung in der Seventy-Third Street gab und seine Telefonnummer, sagte ich, ich würde seine Sachen in Kartons packen und ihm schicken lassen, wenn er die Spedition bezahle. Sie meinte, sie werde fragen und sich wieder melden. Das tat sie am nächsten Tag. Mr. Snow schlage vor, dass ich den Liftführer vom hinteren Aufzug die Sachen abtransportieren lassen solle, die ich nicht behalten wollte.
Wir hatten beim Tee in ihrer Wohnung gesessen, und ich merkte, dass ich mir hier vor Ort die Ereignisse, die sie beschrieb, besser vorstellen konnte. Wie zu erwarten, war sie verstört, und mir ging es genauso, deshalb brach ich die Regel, die ich mir selbst auferlegt hatte, und fragte sie, ob wir nicht etwas Stärkeres als Tee trinken sollten.
Du weißt ja, wo der Alkohol steht, sagte sie.
Ich holte uns unseren üblichen Whiskey, und wir tranken in freundschaftlichem Schweigen, das ich dann miteiner Frage beendete, die sie mit Sicherheit provozieren würde, dachte ich.
Hat er so fest zugeschlagen wie Hubert?
Zu meiner Überraschung brach sie in Lachen aus. Nein, Thomas war immer ein Schwächling und ein Waschlappen.
Es dauerte einen Moment, bis ich das verdaut hatte, dann sagte ich ihr, in zwei Tagen würde ich für den Rest des Sommers nach Sharon ziehen.
Na ja, ich nehme an, du hast bekommen, was du wolltest, erwiderte sie, also brauchst du dich jetzt nicht mehr mit mir aufzuhalten. Das scheint das Muster in meinem Leben zu sein.
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