Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
Vom Netzwerk:
Jamey. Hier, in dieser Stadt. Und darum reise ich nicht ab. Nicht vor dir.“
    Jameson senkte den Kopf. Es hatte keinen Sinn, mit Tamara zu streiten. Sie war schon als Sterbliche wie eine Schwester zu ihm gewesen. Eine ängstliche und zugleich liebevolle Glucke.
    „Also“, schnurrte Rhiannon und schlich so anmutig wie ihr „Kätzchen“ durch das Zimmer zu Tamara. „Ganz meine Meinung. Wir bleiben. Wenn jemand Jameson auch nur ein Haar krümmt, werden wir …“, sie lächelte dieses anzügliche Lächeln, von dem er, seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte, feuchte Träume bekam, „… etwas unternehmen.“
    Jameson biss die Zähne zusammen. Es spielte keine Rolle, dass er größer war als Roland und seine Muskeln nach Stunden im Fitnessstudio kräftiger waren als die von Eric. Es spielte keine Rolle, dass er in seinen pechschwarzen Haaren vergangene Woche ein vereinzeltes graues Haar gefunden oder einen Monat zuvor seinen vierunddreißigsten Geburtstag gefeiert hatte – sie würden immer das schutzbedürftige Kind in ihm sehen. Immer.
    Er drehte sich um, ging zur Apartmenttür und nahm unterwegs den Mantel. „Ich gehe spazieren.“ Die Hand auf dem Türknauf, sah er alle durchdringend an. „Und wenn mir einer von euch folgt, komme ich nie wieder her, das schwöre ich bei Gott.“
    „Jamey!“ Tamara lief zu ihm und nahm seine Hand, als wollte sie ihn aufhalten.
    „Jameson“, verbesserte er sie sanft. „Sieh mich an, Tamara. Nein, wirklich, sieh mich an. Ich bin nicht mehr Jamey.“ Sie gehorchte, ließ den Blick ihrer schwarzen Augen über sein Gesicht wandern, und ihre Augen füllten sich mit Tränen, aber sie nickte. Er strich mit der Hand durch ihre dunklen Locken, bückte sich und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Bitte versteh das, Tam. Ich brauche etwas Freiraum, okay?“
    Ihre Unterlippe bebte, sie nickte. „Sei vorsichtig“, flüsterte sie.
    „Ich bin immer vorsichtig.“
    Er wandte sich ab und verließ das Apartment.
    Er ging allein und vollkommen furchtlos durch die Dunkelheit. Abgesehen von vereinzelten Begegnungen mit Leuten vom DPI, wollten sich die wenigsten mit Jameson anlegen, wenn sie ihm einmal in die Augen sahen. Vermutlich leuchtete der alte Zorn darin. Und ab jetzt wohl mehr denn je. Jetzt, da sie ihn als Erwachsenen mit ihren dreckigen Fingern benutzt und gedemütigt hatten. Oh, er kannte sie gut. Wie sie Tamaras Eltern töteten, nur damit sie Tamara selbst in die Hände bekamen. Schon als kleines Mädchen benutzten sie sie als Köder, wohl wissend, dass sie das Antigen in sich trug und früher oder später einer der Untoten auftauchen und nach ihr Ausschau halten würde.
    Und als ihr sterblicher Aufpasser, der gütige alte Daniel St. Claire, es sich anders überlegte und beschloss, dass er sich nicht mehr an der Verschwörung gegen das Kind beteiligen wollte, da hatten sie auch ihn beseitigen lassen.
    Sie waren ruchlose, blutrünstige Monster. Sie jagten die Untoten wie Tiere, und wenn sie sie fanden, setzten sie sie völlig gewissenlos ihren Experimenten aus.
    Dreckskerle.
    Jameson musste wissen, warum sie ihn diesmal geholt hatten. Was für Informationen sie suchten. Warum sie diese speziellen Proben entnommen hatten und was sie jetzt planten.
    Er musste es wissen. Aber wie sollte er das herausfinden? Darüber musste er nachdenken, und zwar allein. Im Freien, wo die kalte, klare Winterluft seine Gedanken beflügelte und niemand ständig besorgt über ihn wachte.
    Er ging schnell und genoss die Anstrengung und die Kälte. Und er plante. Er könnte ins DPI-Hauptquartier einbrechen und dort die Akten durchsehen. Sich vielleicht in ihre Computer hacken und feststellen, ob sich da Informationen finden ließen. Vielleicht könnte er einen von denen entführen. Die Nazi-Ärztin Rose Sversky vielleicht, oder Stiles, Fullers Schoßhündchen. Sie so lange foltern, bis sie redeten. Möglicherweise sogar Fuller selbst. Jameson lächelte, als er an die Schmerzen dachte, die er dem Mistkerl gern zufügen würde, der so viele andere schon so lange quälte.
    Trotzdem – er konnte nichts tun, bis er Eric, Tamara, Roland und Rhiannon davon überzeugt hatte, dass sie hier verschwinden und ihn allein lassen mussten. Wenn sie blieben, würden sie in das Schlamassel hineingezogen werden, das er anrichtete, wie immer, und das wollte er nicht. Er wollte seine Freunde – eigentlich seine Familie – keiner Gefahr aussetzen, nur weil er seinem alten, stetig wachsenden Zorn Luft machen musste.

Weitere Kostenlose Bücher