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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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Sonnenstrahlen.
    Er war wie die Sonne … die Sonne, die ich nie wieder sehen würde.
    Das dichte Haar trug er lang. Selbst auf die Entfernung sah ich, wie kräftig und glänzend es aussah. Bestimmt fühlte sie sich wie Seide an, diese lockige, widerborstige Haarpracht. Seine Haut sah nicht leichenblass und krank aus wie meine, sondern bronzefarben, als hätte er seinen Körper nur für mich in Honig getaucht.
    Ich leckte mir die Lippen und betrachtete starr den Streifen entblößter Haut an seinem muskulösen Hals. Und dann senkte ich den Blick und schloss die Augen. Ich wollte ihn. Ich wollte sein Blut und seinen Körper. Ich, eine Jungfrau, die ihr Leben Jesus Christus weihen und keusch bis in den Tod sein wollte. Ich begehrte ihn so sehr, dass meine Fleischeslust mich schockierte. Handelte es sich ebenfalls um einen Aspekt meines neuen Charakters? Sollte ich nicht nur eine Dämonin und Mörderin, sondern dazu noch eine Hure geworden sein?
    „Gehen Sie doch weg“, krächzte ich. „Sie sind hier nicht sicher.“
    Aber der Mann kam näher, ragte über mir auf, machte mir Angst, bis mir einfiel, dass ich stärker war als er. Trotz seiner Größe – und er war ein kräftiger Mann, breitschultrig und sehr groß – hatte ich eigentlich nichts zu befürchten.
    Er beugte sich über mich, blickte auf mich herab, und in seinen braunen Tigeraugen las ich nicht Ekel, sondern Mitleid. „Sie sind am Verhungern, nicht?“
    Ja, ich war am Verhungern. Und jetzt hörte ich den starken, konstanten Rhythmus seines Herzschlags. Den rauschenden Strom des Blutes, das durch seine Adern floss. Ich hörte alles!
    „Bitte!“, rief ich und vergrub mein Gesicht in den Händen. „Gehen Sie weg! Ich ertrage das nicht!“
    Stattdessen strich er mir mit den Händen das Haar aus dem Gesicht. Er hielt mein Kinn und hob meinen Kopf, bis ich wieder zu ihm aufschaute. Ich fühlte die Wärme seiner Haut. Jede Linie seiner Handfläche spürte ich. „Sie sind gerade flügge geworden, was?“
    Ich hatte unterdessen die Stelle gefunden, wo sein Puls am Hals schlug, und konnte den Blick um nichts auf der Welt wieder abwenden.
    „Ich kann Ihnen helfen“, sagte er zu mir. „Alles wird gut, Sie werden schon sehen.“
    „Bitte gehen Sie …“ Aber meiner Stimme fehlte es an Überzeugungskraft, denn ich stellte mir schon vor, wie er schmecken würde. Mein Mund auf seiner Haut. Der warme Blutstrom, wenn ich …
    „Ich kann nicht einfach fortgehen und Sie hier zurücklassen. Sie leiden, das sehe ich.“
    Ich stöhnte, während mir Tränen über die Wangen liefen. Mein ganzer Körper wurde von einem Schluchzen geschüttelt. Ich wollte ihn mehr als meinen nächsten Atemzug. Und doch konnte ich nicht. Wie auch? Er hatte nichts Unrechtes getan. Versuchte sogar, mir zu helfen.
    Doch mein Schluchzen entpuppte sich als falsche Vorgehensweise, denn der große, wunderschöne Narr legte die kräftigen Arme um mich, sodass ich jede Wölbung der straffen Muskeln unter seiner Kleidung spürte. Er zog mich an sich, hielt mich sanft, wiegte mich ein wenig. „Psst“, flüsterte er dabei, „alles wird gut. Ich habe Freunde, die wie du sind. Sie können dir helfen. Ich rede mit ihnen. Alles wird gut.“
    So redete er unaufhörlich weiter und strich mir dabei über Haar und Rücken. Ich hatte keine Ahnung, warum. Aber seine Bewegungen machten mich rasend vor unnatürlicher Wollust. Rasend nach ihm, seinem Blut, seinem Körper. Und die beiden Begierden schienen miteinander zu verschmelzen, bis ich die Fleischeslust nicht mehr von dem unnatürlichen Hunger unterscheiden konnte. Sie wurden eins. Mein Kopf ruhte an der Beuge seines sehnigen Halses. Ich berührte mit den Lippen sogar seine warme, salzige Haut, während er mich hielt. Und das war das Ende. Ich ertrug es nicht mehr. In diesem Augenblick hatte ich rein gar nichts Menschliches mehr in mir. Ich war ein hungriges Tier und er meine Beute.
    Ich schlang die Arme um diesen wunderschönen Mann, öffnete den Mund und schlug meine spitzen neuen Fangzähne tief in ihn. Haut und Muskeln, dann ein Schwall, als ich die Schlagader durchbohrte. Er stöhnte. Wehrte sich aber nicht sehr gegen mich. Tatsächlich beugte er sich sogar näher zu mir, hielt mich fester; ich spürte, wie er erschauerte. Er stöhnte, krallte die Finger in mein Haar und drückte die Hüften gegen mich. Ich spürte seine Erregung, den harten Umriss, der mich zwischen den Beinen anstieß, und krümmte mich ihm entgegen wie eine gewöhnliche

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