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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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langsam die Wange hinab.

Keith
    5. KAPITEL
    Meine Reinigung bestand darin, dass sie mich mit einem Schlauch abspritzten wie ein Tier. Anschließend brachten sie mich wieder in meine Gefängniszelle. Die Männer hoben mich von der Trage und legten mich ohne Rücksicht auf die gerade eben stattgefundene Entbindung in die Kiste, in die ich tagsüber eingesperrt wurde. Die sargähnliche Kiste, deren Deckel sie von außen verriegelten. Die sie immer erst dann öffneten, wenn es ihnen passte.
    Als sie mich in dieses Grab betteten, wurde mir allmählich bewusst, dass es gar nicht dämmerte. Es war mitten in der Nacht, der Schlaf würde erst in einigen Stunden über mich kommen. Die Ketten an der Wand schienen mir plötzlich auf jeden Fall besser zu sein als diese Kiste!
    „Bitte“, flehte ich die beiden Männer an, die mich in mein Gefängnis legten. „Es ist noch nicht Tag.“ Meine Worte klangen belegt, wie genuschelt. Ich war noch geschwächt von den Medikamenten, die sie mir verabreicht hatten, spürte immer noch die Krämpfe und Nachwehen.
    Sie antworteten mir nicht. Legten mich einfach in die Kiste und griffen nach dem Deckel.
    „Nein!“ Ich versuchte mich wieder aufzurichten, versuchte es mit allen Kraftreserven, die ich noch besaß. Ich hatte solche Angst davor, in dem winzigen Sarg eingesperrt zu sein. Ich würde es nicht ertragen. Niemals! Es war wohl eine Art von Vorahnung, die diese Panik in mir auslöste, doch was auch immer der Grund sein mochte, sie überwältigte mich, und ich kämpfte.
    Doch es nützte nichts. Ein Pfleger, ein klobiger Mann in Weiß, drückte mich nach unten, während ich zappelte und um mich schlug, der zweite legte den Deckel über mich. Ich schrie. Ich heulte und drückte mit all der Wut und all meinen Kräften gegen den schweren, bleiverstärkten Deckel, der mich gefangen hielt – es half nichts. Ich hörte sie draußen arbeiten. Hörte sie Bolzen einschieben, damit der Deckel sich nicht mehr verschieben ließ. Und schließlich wurde es still. Wie gern hätte ich mich ganz klein zusammengekrümmt, aber dafür war kein Platz. Ich konnte nur in der Dunkelheit liegen, die Decke wenige Zentimeter über mir und die Wände so nah, dass ich sie mit den Knöcheln berührte. Ich presste die Hände auf den jetzt wieder flachen Bauch, ohne das Kind, das mir in den vergangenen Monaten so ans Herz gewachsen war, und weinte bittere Tränen, bis ich scheinbar keine mehr in mir hatte.
    Die Luft reichte nicht aus. Ich konnte mich nicht bewegen. Die pechschwarze Enge wurde immer erdrückender, und ich spürte, wie sich der enge Raum langsam aufheizte. Mit all meinen Sinnen spürte ich die Gegenwart meines Kindes. Ich wusste, das Mädchen war in der Nähe … Wenig später ließ dieses intensive Gefühl wieder nach. Wie war das möglich, dass ich sie so deutlich wahrnahm? Ich wusste, dass sie nach mir weinte und von jemand anderem getröstet wurde. Ich hatte es gespürt, als sie in eine warme Decke gehüllt wurde und einschlief. Und ich wusste so sicher, wie ich meinen Namen kannte, dass man sie von hier weggebracht hatte. So weit weg, dass meine Verbindung zu ihr abriss. Und ein Meer von Tränen ließ meine Augen überquellen.
    Allmählich begriff ich die ganze Wahrheit. Man hatte mich benutzt. Und jetzt war ich entbehrlich geworden. Es bestand kein Grund mehr, mich am Leben zu erhalten. Der Deckel meines Sarges würde sich nie wieder öffnen. Mit dieser Erkenntnis überkam mich eine lähmende Angst.
    Wie lange, fragte ich mich, würde es wohl dauern, bis ich starb?
    Der weiße Laborkittel und der Mitarbeiterausweis gehörten dem Mann, der nun in der dunkelsten, hintersten Ecke des leeren Zimmers lag. Jameson wusste, es war kein perfekter Plan, aber auch kein ganz schlechter. Er konnte ihre Gedanken lesen. Er wusste, wer misstrauisch wurde und wer ihm seine Geschichte abkaufte. Er zog sich um und ging durch die Flure des vierten Untergeschosses im DPI-Hauptquartier in White Plains. Niemand würde auf die Idee kommen, dass sich ein Vampir freiwillig hierher wagen könnte. Die Gefangenen sperrten sie im unterirdischen Teil der Anlage ein; je wichtiger der Gefangene, desto tiefer unten fand man ihn. Man war hier praktisch lebendig begraben. Jameson schob einen mit Instrumenten beladenen Rollwagen, trug ein Paar Latexhandschuhe, blieb ab und zu stehen, schlug den Notizblock auf, den er gestohlen hatte, und tat so, als würde er das Gekritzel nachdenklich überfliegen. Alles nur, damit seine Scharade

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