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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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glaubwürdiger wirkte. Einen zweiten weißen Kittel nebst Chirurgenmaske versteckte er in seinem Mantel. Und er wusste anhand der gestohlenen Baupläne, dass es einen Hinterausgang gab, durch den nur die in Gefangenschaft Gestorbenen abtransportiert wurden. Ein Fahrstuhl führte direkt zu diesem Ausgang. Und in dem Raum, wo der Fahrstuhl endete, befand sich ein großer Brennofen. Eine Art von Krematorium.
    Er begegnete einer jungen Frau … und wurde langsamer, als er ihren Blick auf sich spürte und merkte, wie sie anerkennend sein Äußeres begutachtete, auf seine Attraktivität ansprach. Er drehte sich zu ihr um und stellte fest, dass sie sich ebenfalls nach ihm umgedreht hatte; sie strich sich mit einer Hand durch das seidige blonde Haar und leckte sich die vollen Lippen. „Pardon, vielleicht können Sie mir helfen“, sagte er. „Ich habe mich ein wenig verirrt.“
    Sie lächelte strahlend und hoffte, dass er nach Ende der Schicht mit ihr ausgehen würde. Eine Labortechnikerin, die gerade die Karriereleiter nach oben erklomm, sehr talentiert. Und vollkommen ohne Moral. „Gern“, sagte sie und warf nur einen flüchtigen Blick auf seinen Mitarbeiterpass. Dass er ihn trug, reichte ihr schon aus. Eine wunderschöne Närrin. „Was suchen Sie denn?“
    „Die, äh …“ Er sah sich um und tat geheimnistuerisch, da er genau wusste, dass nicht alle hier Zugang zu den geheimsten Informationen hatten. Er warf einen Blick auf ihren Ausweis, sah, dass sie eine der höchsten Sicherheitsfreigaben hatte, und nickte. „Die junge Mutter?“
    Die Frau runzelte die Stirn und wurde nun doch ein wenig misstrauisch. Er hörte ihre Gedanken deutlich: Was will er denn von der? Inzwischen ist sie vermutlich sowieso schon tot .
    „Ich soll einige Proben entnehmen und die Überreste dann runter zur Forensik bringen“, fügte er hastig hinzu.
    „Oh.“ Der misstrauische Gesichtsausdruck verschwand von ihrem hübschen Gesicht. „Eine Etage tiefer, Isolationszelle 516-S.“
    „Danke.“
    Sie überlegte, ob sie jemanden informieren sollte. Jameson drehte sich abermals um, ließ sein strahlendstes Lachen sehen, achtete jedoch sorgsam darauf, dass er die verräterischen neuen Fangzähne verbarg. „Sagen Sie, um wie viel Uhr haben Sie Feierabend?“
    „Mitternacht“, sagte sie zu ihm mit einem triumphierenden Funkeln in den grünen Katzenaugen. „Warum?“
    Jameson sah ihr in die Augen und wusste, obwohl er die Gedankenkontrolle noch nie angewendet hatte, wusste, dass er es schaffen konnte, wenn der Sterbliche keinen geistigen Widerstand leistete. Und er spürte keinen Widerstand und keine Angst bei ihr. Er hatte Eric schon dabei zugesehen. Der Trick erforderte Übung, die ihm fehlte. Dennoch sollte es nicht allzu schwierig sein, das Handeln einer einzigen sterblichen Frau zu beeinflussen. Sprich mit keinem über mich. Mit keinem. Keinem.
    Laut sagte er: „Wollen wir uns Viertel nach zwölf auf dem Parkplatz treffen? Wir könnten was trinken gehen … oder so.“
    Sie nickte eifrig. „Hört sich gut an.“
    „Super.“ Er drehte sich um und ging weiter den Flur entlang zu den Fahrstühlen. Jameson begegnete mehreren anderen, aber keiner schien misstrauisch zu werden. Die Frau, die er suchte, wer immer sie sein mochte, war wahrscheinlich tot, das glaubte zumindest die hübsche Technikerin. Aber warum war sie dann noch hier? Und würde er das Kind wie erwartet finden? Er war davon ausgegangen, sie zusammen in einer Zelle zu finden. Jetzt war er nicht mehr so sicher.
    Das fünfte Untergeschoss glich einem Kerker. Und es dauerte nur Sekunden, bis Jameson begriff, dass sie hierher die Vampire brachten, für die sie keine Verwendung mehr hatten. Hierher kamen die Untoten, um zu sterben. Ihren zweiten Tod. Den endgültigen. Das Untergeschoss bestand aus Beton, grün gestrichen wie die Leichenhalle eines Krankenhauses. Jede winzige Zelle hatte eine Tür, alle Türen waren versiegelt. Der Gestank des Todes lag schwer in der Luft.
    Jameson kam zur Tür mit der korrekten Nummer. Wachen gab es hier keine, für sterbende oder tote Vampire hielt man diese Vorsichtsmaßnahme wohl nicht mehr für nötig. Mit minimaler Kraftanstrengung brach Jameson die Türverriegelung auf.
    Er trat ein und hielt den Atem an. Am anderen Ende des gruftähnlichen Raums stand eine Kiste, in Form und Größe einem steinernen Sarkophag nicht unähnlich. Zehn Zentimeter dick. Kein Baby zu sehen, und Gott sei Dank auch kein kleinerer Sarkophag in Babygröße. Mutter

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