Erkenntnis
auf die Bank. „Mutter, ich habe da noch eine Frage. Warum werden einige Feenkinder in die Menschenwelt gebracht und wachsen dann dort auf?“
„Das darf ich dir leider nicht verraten, Aodnait. Aber ich verspreche dir, du wirst es herausfinden.“
Bedauernd schaut sie aus dem Fenster.
„Du hast nicht mehr viel Zeit und musst bald in die Menschenwelt zu deiner Familie zurückkehren. Lauf zu Myrna, sie wird dir ein Geschenk geben. Und bitte komm bald wieder. Du bist hier immer willkommen!“
Noch einmal wird Niamh umarmt.
„Ich werde wiederkommen, Mutter. Danke, dass du mir alles erklärt hast.“ Nach einem letzten Lächeln geht Niamh die Treppe hinunter in den Saal. Ihre alte Lehrerin wartet dort schon mit einem Beutel in der Hand auf sie. „Schade, dass du schon wieder gehen musst, Prinzessin. Bei deinem nächsten Besuch müssen wir uns aber länger unterhalten ... Aodnait, mach dir keine Sorgen. Alles wird gut!“
Sie drückt Niamh den Beutel in die Hand und lächelt sie an.
Niamh kann sich nur noch sehr kurz verabschieden, bevor sie zum Tor eilt. Sie hat nicht mehr viel Zeit, wenn sie zuhause im Bett liegen will, bevor die Sonne aufgeht.
Als sie endlich daheim ist, versteckt sie den Beutel unter einer Bank auf der Terrasse, ohne hineingesehen zu haben.
Ihr ist kalt und die Sonne geht bald auf. Aidan darf nicht bemerken, dass sie weg war. Dann schleicht sie sich ins Schlafzimmer und kuschelt sich in Aidans Arme.
5. Erkenntnis
Als Niamh erwacht, steht die Sonne schon hoch am Himmel. Sie dreht sich zum Wecker um und erschrickt. Es ist schon fast Mittag. Wieso hat sie denn keiner geweckt?
Sie horcht aufmerksam, aber das Haus ist völlig still. Langsam steht sie auf und geht zum Schrank. Unschlüssig steht sie davor, bis sie schließlich zu einer bequemen Jeans und einem schlichten T-Shirt in Türkis greift, und damit im Bad verschwindet.
Nach fast einer halben Stunde unter der heißen Dusche hat sie endlich das Gefühl, sich diesem Tag stellen zu können. Ihre langen Haare flicht sie kurzerhand zu einem Zopf, bevor sie nach unten in die Küche geht. Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit benutzt sie diesmal den Wasserkocher für ihr Teewasser. Eigentlich liebt sie den Kessel mit der altmodischen Pfeife, die lautstark verkündet, dass das Wasser fertig ist.
Sie hat sich gerade mit ihrem Tee an den Tisch gesetzt, als sie das Gartentor hört. Ein Lächeln gleitet über ihr Gesicht, als sie Keelin an Tallulahs Hand sieht. Kaum hat Tallulah die Haustür geöffnet, stürmt Keelin auch schon in die Küche zu ihrer Mutter.
Sie umarmt Niamh und klettert dann zu ihr auf die Sitzbank um sich an sie zu lehnen. Aidans Grandma kommt herein und sieht Niamh prüfend an. „Wie geht es dir, Kind?“
„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, Grandma. In mir herrscht ein riesiges Chaos. Ich kann einfach keinen klaren Gedanken fassen.“
Die alte Dame setzt sich zu ihr.
„Dann erzähl einfach mal, Niamh.“
Und Niamh beginnt zu erzählen. Von ihrem Treffen mit Padraig und wie sie ins Feenreich gelangt sind. Sie muss unwillkürlich lächeln, als sie berichtet, wie Padraig reagiert hat, als sie sich bei ihm bedankte.
„Grandma, er tut immer so böse und abweisend, aber ich glaube, er ist eigentlich ein sehr lieber und mitfühlender Mann.“
Tallulah nickt.
„Ja, das denke ich auch.“
Niamh erzählt leise weiter.
„Auf dem Weg zum Palast hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, Keelin hüpft neben mir. Es war irgendwie seltsam.“
„Sie ist immer bei dir, Niamh. Sie ist ein Teil von dir.“
Als wollte sie Tallulahs Worte bestätigen, schiebt Keelin ihre kleine Hand in die Hand ihrer Mutter. Liebevoll streift Niamhs Blick ihre kleine Tochter, bevor sie ihren Bericht fortsetzt.
Sie erzählt, wie sie im Palast aufgenommen wurde und von der Erklärung ihrer Mutter.
Grandma hat ihr aufmerksam zugehört.
„Ihr dürft euch also frei entscheiden?“, fragt sie nach.
Niamh nickt.
„Ja, aber ich verstehe nicht, warum sie uns das nicht sagen. Wenn ich es gewusst hätte, wäre doch alles ganz anders gewesen.“
Tallulah wirkt sehr nachdenklich.
„Nein, es ist schon richtig, es nicht vorher zu sagen. Nur so kann man erkennen, ob jemand dieser Aufgabe gewachsen ist. Nur ohne dieses Wissen handelst du instinktiv. Eben so, wie es dir entspricht.“
„Ja schon, aber was ist, wenn ich die falsche Entscheidung treffe? Das wäre in meinem Fall Aidans Tod gewesen.“
Erschrocken schaut sie zu Keelin, als ihr bewusst wird, dass die Kleine neben ihr
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