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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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ihn zuerst in alle Löcher des Salzstreuers, dann in die wenigeren und engeren des Pfefferstreuers. Als Lukas ihr sagte, er habe eine etwas indiskrete Frage, rutschte sie auf ihrem Sitz nach vorn.
    »Ja, los. Nur zu!«
    »Warum beißen Sie eigentlich noch Fingernägel?«
    Seine Frage kam auf jene langsame, wohlwollende Art, die junge Menschen als besonders ärgerlich empfinden.
    »Jajaja!« maulte sie, und es gelang ihr sogar, eine steile Stirnfalte herzustellen. »Ich weiß schon, auf was Sie hinauswollen! Sexuell verklemmt und so. Stimmt ja auch! Wenn Sie’s genau wissen wollen: Ich hab noch nie einen richtigen Orgasmus gehabt! Tut einfach nicht bei mir. Wahrscheinlich liegt’s an meinem Vater.«
    Lukas war bereit, etwas dazuzulernen.
    »Wollen Sie mir erklären, wieso das an Ihrem Vater liegen soll?«
    »Na ja, daß ich das vielleicht geerbt hab, mangelnde Liebesfähigkeit. Alfredo ist doch eine Oberniete im Bett.«
    Der Jongleur brachte den zweiten Cuba Libre. Nach einem hastigen Schluck sah sie ihre Schwierigkeiten aus einem anderen Blickpinkel.
    »Oder die Typen, mit denen ich’s hab, können’s nicht richtig. Irgendwie machen die was falsch. Aber wehe, man sagt was. Dann kriegen sie gleich ‘n Hängepeter. Ein paarmal hab ich schon gedacht, diesmal klappt’s bestimmt. Aber bis ich dann in Fahrt kam, war’s doch wieder Sense. Und mit einem reifen Mann hab ich noch nicht gebumst.«
    Was will sie denn? fragte er sich, mich testen, wie ich reagiere? Sein Schweigen störte sie nicht, sie hatte noch viel zu sagen.
    »Ich war schon bei einigen Therapeuten deswegen. Wegen der Nägel. Aber sie haben sich alle nur Bettgeschichten erzählen lassen, irre bedeutend geschaut und mir dann den genialen Rat gegeben, ich sollte mal versuchen, nicht mehr zu beißen. Warum nicht? Es macht mir doch Spaß. Sonst tät ich’s ja nicht.«
    Minuziös erzählte sie ihm, was die Therapeuten sie gefragt hatten, aber so unzusammenhängend, daß er kaum erfuhr, was die Therapeuten sie gefragt hatten, hingegen nahezu alles über Andreas physische Anlagen und Besonderheiten, über frühkindliche Spiele und über ihre Selbstmordversuche; schon drei, immerhin. Mitunter hatte er den Eindruck, er sei jetzt ihr Therapeut.
    Beim Erzählen geriet Andrea zusehends in Bewegung. Mit ihm über sich zu sprechen, schien sie mehr und mehr zu erregen. Sie rutschte auf ihrem Sitz hin und her, holte Luft, beugte sich vor, lehnte sich zurück, scharrte mit den Füßen wie ein junges Pferd, schlug abwechselnd die Beine übereinander, klemmte einen Arm dazwischen, daß er fürchtete, sie wolle den bisher vermißten Gipfel im Zusammenwirken von mechanischer und verbaler Energie herbeizwingen. Seine Rolle als Beisitzer gefiel ihm ganz und gar nicht.
    »Was haben Sie denn, Andrea? Warum sind Sie so unruhig?«
    Röte überzog ihr Gesicht, sie starrte auf ihre Hände, auf die abgebissenen Nägel und stotterte verlegen, als wäre sie nur halb so alt. Erst nach mehreren Ansätzen konnte sie sprechen.
    »Es ist mir schrecklich peinlich, aber ich hab vorhin bei Rainer so viel Limo getrunken, ich... Ich muß furchtbar aufs Klo.«
    »Warum sagen Sie das nicht gleich?«
    »Ich hab mich geniert. Ehrlich.«
    »Kind«, sagte er erleichtert, »wir reden hier weiß Gott von natürlichen Dingen. Da gehört das doch auch dazu. Jetzt aber schnell!«
    Wie ein Schulmädchen, dem die Buben nachschauen, ging sie hinaus, mit steifem Oberkörper, eingezogenem Hinterteil und reibenden Schenkeln. Der Jongleur lief in Lukas’ Blick, bezog ihn auf sich, kam an den Tisch, nahm die Bestellung eines weiteren Port and Brandy entgegen und verließ einen still vor sich hinlächelnden Gast. ,
    Nicht mehr mit Schulmädchengang, sondern selbstbewußt kam Andrea zurück, lachte ihm entgegen und plapperte los, noch ehe sie wieder an ihrem Platz saß.
    »Nicht daß Sie denken, ich tu das öfter. So wie mit Ihnen hab ich noch mit keinem Mann geredet. Ehrlich.«
    Er gab keine Antwort. Hier zu sagen, daß ihn ihr Vertrauen ehre, wäre ihm albern vorgekommen.
    »Aber vielleicht mögen Sie das gar nicht?« fragte sie. »Vielleicht wären Sie lieber bei Rainer geblieben und hätten weiter diskutiert?«
    »Dann hätte ich das ja sagen können.«
    »Sie sind also gern mit mir gekommen?«
    »Ja.«
    »Ehrlich?«
    »Ehrlich.«
    »Ich bin auch froh, daß wir hier sind. Ehrlich.«
    »Genug der Ehrlichkeit«, sagte er. Kaum störend brachte der Jongleur den Port and Brandy; Andrea bestellte sich ebenfalls

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