Erknntnisse eines etablierten Herrn
einen Port and Brandy, schob einen Fingernagel zwischen die Zähne, nahm ihn aber auf einen Blick von ihm wieder herunter. »Oder sind Sie nur gern mit mir zusammen, weil ich meiner Mutter ähnlich sehe?«
»Andrea, mit elf hab ich mal für ein Mädchen geschwärmt, weil es einer Filmschauspielerin ähnlich sah. Inzwischen bin ich mit meinen Sympathien präziser.«
»Das ist kein guter Vergleich. Meine Mutter war immerhin Ihre Geliebte.«
»Können wir damit nicht endlich aufhören?«
»Bitte, wenn Sie den Gedanken verdrängen wollen.«
»Dazu müßte er mich erst beschäftigen, und das tut er nicht. Aber Ihnen scheint die Vorstellung besonderes Vergnügen zu machen. Sie kriegen jedesmal ganz besessene Augen, wenn Sie davon reden.«
»Gefällt Ihnen das nicht?«
»Sie haben sehr hübsche Augen, wenn Sie das hören wollen. Ich richte mich da ganz nach Ihnen.«
Dagegen wehrt sich die Germanistin. Man habe hübsche Ohren, hübsches Haar, ein hübsches Kleid, aber keine hübschen Augen, belehrt sie ihn.
»Lassen Sie mich reden, wie ich will.«
Der Einwand verfehlt sein Ziel; Andrea ist längst bei der nächsten
Frage.
»War meine Mutter eigentlich frigid?«
Jetzt reichte es ihm, diese ewige Fixierung auf die Mutter. An ihrer Stelle würde er sich darüber einmal Gedanken machen. Er hat das entschieden gesagt, doch sie bleibt ruhiger als erwartet.
»Ja, ja, ich weiß schon: der Kavalier genießt und schweigt. Aber weichen Sie mal nicht aus, mir zuliebe. Ich muß das wissen. Das ist sehr wichtig für mich. Meine Mutter ist so unwahrscheinlich, eine tolle Persönlichkeit, nie sagt oder tut sie was, was man nicht sagt oder nicht tut, immer Haltung. Das frustriert einen ganz schön auf die Dauer. Irgendwo muß doch auch sie einen schwachen Punkt haben.«
»Da kann ich Ihnen nicht helfen. Ich habe Ihre Mutter genauso in Erinnerung, wie Sie sie schildern.«
Er sieht sie vor sich, Lilly in dem großen Wohnraum vor dem Gespräch mit Alfredo am letzten Tag, damenhaft, ohne Emotion, nichts war ihr anzumerken, daß sich in den nächsten fünf Minuten ihr Schicksal (und seines) entscheiden sollte. Der Jongleur bringt Port and Brandy für Andrea. Sie trinkt sofort, lächelt zutraulich.
»Sie haben doch sicher Frauen gehabt, die frigid wären?«
»Wahrscheinlich.«
»Sagen Sie nicht wahrscheinlich, sagen Sie, wie das ist. Frustriert das den Mann, wenn sie keinen Höhepunkt hat?«
»Andrea.« Er läßt sich Zeit. »Ich habe mich geirrt. Sie lesen zu wenig Illustrierte.«
Für diesen Ton hat sie jetzt keine Geduld.
»Nein, im Ernst. Mir zuliebe. Ist das schlimm?«
»Wenn zwei sich verstehen, gibt sich das mit der Zeit.«
Was für eine dumme Antwort, denkt er. Und sie auch. Aber auf Anhieb will es ihm nicht gelingen, sich zu dem Thema frei zu äußern, er findet sich konservativ, ist den Umgang mit diesem Jahrgang nicht gewohnt. Sie hilft ihm.
»Nehmen wir einmal an, Sie wollten mir helfen. Sie wissen, was mit mir ist, und Sie mögen mich. Was machen Sie in dem Fall? Ich meine, wie würden Sie’s machen, erst mal theoretisch.«
Erst — hat sie gesagt! nörgelt seine Vernunft.
»Andrea, Sie machen einen Fehler. Sie sehen das alles zu technisch. Man kann darüber nicht reden wie über eine Vergasereinstellung beim Auto. Solange Sie so vorgehen, müssen Sie sich nicht wundern, wenn der gewünschte Erfolg ausbleibt.«
Er findet das gut, was er gesagt hat. Leider hört sie ihm nicht zu, hat wieder getrunken, schaut ärgerlich.
»Sie weichen mir schon wieder aus! Ist Ihnen der Gedanke so unangenehm? Jetzt aber ehrlich!«
»Nein. Natürlich nicht.«
»Sie würden mir also helfen?«
»Nicht auf dieser Basis. Ich bin nicht von der erotischen Feuerwehr.«
»Nein, richtig. Mit Liebe. Das meinen Sie doch?«
»Es muß alles zusammenstimmen — ich hab’s Ihnen gerade erklärt.« Sie bestätigt durch Kopfnicken.
»Also mit Liebe. Und wie geht das denn technisch?«
»Sie sind schon wieder beim Vergaser?«
Ihre Backen glühen, die Zähne schnappen nach einem Nagel.
»Wie’s falsch ist, hab ich ja erlebt. Jetzt möchte ich wissen, wie’s richtig geht. Sie haben doch die Erfahrung, nicht ich.«
Lukas versucht, allgemein zu bleiben. »Vor allem soll man nicht so viel dabei denken. Wo ein Gefühl ist, hört das ganz von selber auf. Aber vielleicht ist das altmodisch, sentimental«, schränkt er ein. Sie hat wieder einen Schluck getrunken, antwortet nicht gleich, sieht ihn nicht an.
»Könnten Sie das Gefühl für
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