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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Haar, dessen Schaukeln auch leiseste Verneinung zu Unwillen steigerte, kramte nach einer Zigarette und nach dem Feuerzeug, schwieg bis zum Wagen, schwieg bis zur Innenstadt. Auch er sagte nichts mehr, war gespannt, was sie noch Vorhaben würde. Eine erleuchtete Uhr zeigte kurz nach zehn.
    Andrea fuhr immer langsamer, begann ihn auf Sehenswertes aufmerksam zu machen, beziehungsweise auf das, was sie dafür hielt, ein Plattengeschäft, eine Boutique, eine Eisdiele, fragte, ob es ihm Unangenehm sei, als sie ein Fenster öffnete, um die Zigarette hinauszuwerfen. Sie sagte, was eigentlich der Mann sagt, der ein Mädchen ausführt und ihr jeden Wunsch zu erfüllen vorgibt, um Widerständen gegen seinen Wunsch vorzubeugen, bevor er ihn ausspricht.
    »Ich fahr zum Late drink, ich meine zum Späten Schoppen . Freut Sie das? War doch Ihre Pinte damals.«
    Er wollte fragen, woher sie das wisse, nickte aber nur. Über eine ihm unbekannte Tiefgarage und eine Arkadenstraße mit winzigen Geschäften kamen sie von unten durch eine schottisch karierte Eisentür in das Lokal. Hier endete die Gleichberechtigung. Mit aufwendig devotem Gebaren drängte der Kellner Lukas in eine ungewohnte Rolle: Mittvierziger, der junge Mädchen ausführt. (Läßt sicher was springen.)
    Andrea wurde als gnädige Frau eingestuft; sie bekamen ein schottisches Eck mit Reserviert-Schild auf dem karierten Tischtuch. Er bestellte einen Gin Fizz für Andrea und für sich nach dem Cocktail und dem kalten Mayonnaisenzeug etwas Warmes — eine Linsensuppe.
    Ungeduldig knabberte die gnädige Frau an einem Fingernagel, bis sich der Kellner entfernte.
    »Mit meiner Mutter wären Sie oft hier, stimmt’s?«
    Diesmal wollte er ihr das Lieblingsthema nicht abschneiden, vielmehr endlich erfahren, wohin es führen sollte. Er nickte also zu ihrer Frage und es schien ihm, als fühle sie sich deutlich erleichtert, dank ihrer Taktik (wie sie glauben mußte), auf keinen Widerstand zu stoßen. Dafür stieß sie jetzt um so gründlicher nach.
    »Wie lange hat das Verhältnis zwischen Ihnen eigentlich gedauert?« Der Kellner kam dazwischen, exerzierte Gewandtheit vor, die bei einem Jongleur zum Handwerk gehören mag, beim Servieren dagegen reinweg lästig ist, um so mehr, als er noch gar nicht servierte, sondern nur den Tisch vorbereitete.
    »Also?« fragte Andrea, als die fuchtelnden Arme zwischen ihnen verschwunden wären.
    »Mir paßt das Wort >Verhältnis< nicht.«
    »Egal, wie Sie das nennen wollen, Liaison, Liebschaft, große Liebe, jedenfalls haben Sie mit meiner Mutter geschlafen. Oder nicht?«
    Sie hatte etwas Lauerndes; er hielt ihr die Zigarettenpackung hin, die neben ihr auf dem Tisch lag.
    »Lenken Sie nicht ab!« maulte sie.
    »Warum wollen Sie das denn wissen?« ‘
    »Es interessiert mich. Weil’s jeder gemerkt hat. Nur Alfredo nicht. Also, wie lang hat die Geschichte gedauert?«
    »Andrea, das ist mir zu inquisitorisch. Sie wären ein guter Staatsanwalt.«
    Er sagte das freundlich und erntete einen unerbittlichen Blick.
    »Wie lange?«
    »Was soll denn das? Sie machen ja ein Gesicht, als wollten Sie gleich eine Bombe platzen lassen.«
    »Die platzt auch gleich. Sie werden sich wundern!«
    »All right. Lassen Sie platzen.«
    Der Jongleur kam dazwischen als gastronomische Kwannon mit unzähligen Ellenbogen und einem Gin Fizz. Lukas bestellte sich einen Port and Brandy und beobachtete Andrea, die sich nach vorn lehnte, sobald das Bündel Ellenbogen weg war, und die Miene eines unbeherrschten Kartenspielers auf setzte, bevor er das As auf den Tisch knallt.
    »Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen sage, daß Sie ein neunjähriges Kind haben?«
    Nimmt mich das kleine Biest auf den Arm? Er rechnete und antwortete gelassen:
    »Ich würde ich sagen: interessant. Davon weiß ich ja gar nichts.« Ihr Ausdruck milderte sich, auch ihre Stimme.
    »Sie brauchen nicht so zu grinsen. Sie hätten nämlich eines. Ehrlich !«
    Nie hatte sich Lukas über einen Konjunktiv mehr gefreut.
    »Ach, theoretisch? Da gibt’s eine ganze Menge Leute, die theoretisch Kinder hätten.«
    Sie schaute rührend bedrohlich.
    »Beinah hätten Sie’s auch praktisch. Wenn’s meine Mutter nicht hätte wegmachen lassen. Jetzt staunen Sie, was?« Wunschgemäß staunte er; sie kippte den Gin Fizz; die Linsensuppe kam sechshändig; Andrea bestellte sich einen Cuba Libre. Dann waren sie wieder allein. Väterlich lächelte er: »Ich glaube, Sie lesen zu viel Illustriertenromane.«
    »Ich weiß, daß Sie

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