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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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unter uns im Tale das schäumende Band der jungen Rhône zwischen Felsen sich hinschlängeln und ein massives Haus, von dem wir annahmen, daß es unser Ziel, das Rhônehotel sein werde.
    Da der Pfad sich stark senkte und der Reiter achtzugeben hatte, daß er nicht seinem Tiere über den Kopf rutschte, so stieg er ab und lief neben mir her. Er fragte mich über meine weiteren Reisepläne ein wenig aus, und als ich ihm bekannte, daß ich nur Vergessen suchte und mich vom Zufall wolle leiten lassen, da schlug er mir vor, ob wir nicht zusammenbleiben wollten. Ich sagte zunächst nicht ja und nicht nein, denn obwohl ich unterdessen erfahren hatte, daß mein Begleiter ein Gymnasialdirektor sei, so konnte ich mich immer noch nicht recht mit ihm befreunden. Der rote Schnurrbart konnte mir nicht gefallen, und ich wollte abwarten, ob ich mich über Nacht an seinen Anblick gewöhnen könne. Der Tag war nämlich schon weit vorgeschritten, und, offen gestanden, nach den vorausgegangenen schlechten Nächten sehnte ich mich nach einer guten und nach einem bequemen Bett.
    Als wir ins Konversationszimmer des Gasthofes traten, fanden wir Feuer im Kamin. Ich glaube, eserlischt da oben zwischen dem Eis der Gletscher und den Festungsmauern des Hauses gar nie und ist auch selten wohl zur Last. Wir beide fröstelten ein wenig, holten Stühle herbei und rückten sie an die brennenden Scheite heran. Funken sprühten, und das flammende Holz sang seinen Schwanengesang. Ich fing an mich behaglich zu fühlen, als eben die Tür aufging, und das vermeintliche Ehepaar zu uns ins Zimmer trat. Sie waren offenbar noch nicht ausgesöhnt miteinander. Er warf einen ansehnlichen Zigarrenstummel in die Gluten, während sie einen feinen Saffianschuh vorstreckte, um mit seiner Spitze das Feuer zu schüren. Es war offenbar, sie hatte es drauf abgesehen, ihn dadurch zu kränken, daß sie etwas zerstörte, was ihm Geld gekostet hatte. Man sah's ihm an, er ärgerte sich auch, und er fuhr zu und riß der Unverschämten den Fuß zurück, indem er sagte: »Wenn du glaubst, hier das Feuer schüren zu müssen, so tu es mit den nackten Füßen, eine ungegerbte Haut ist billiger als fettiges Leder.«
    Sie schwieg einstweilen, nestelte aber eine Spange von ihrem Gürtel los und warf sie in den Kamin. Sofort fing das Ding Feuer und ein abscheulicher Gestank verbreitete sich durch die Stube. Das war mir nun doch zu dumm. Ich erhob mich und, vor die Dame hintretend, sagte ich: »Meine Gnädige, wenn Sie tatsächlich die meine wären, so wüßt ich, was ich mit Ihnen zu tun hätte.«
    »Und was täten Sie?« fragte der Herr, von seinem Stuhle springend.
    »Ich gäbe sie ihrem Vater zurück, daß er sie solange noch erzöge, bis sie ein Mann, der auf Anstand hält, neben sich brauchen kann.«
    »Bravo,« sagte der Rotbart und erhob sich gleichfalls, indem er mit drohender Miene bemerkte: »Für zwei von uns Vieren hat das Zimmer keinen Platz mehr, entweder Sie entfernen sich oder wir.«
    Die Dame hatte unterdessen ihr Taschentuch von sich geworfen. Als sich aber niemand fand, der sich darnach bückte, holte sie es selber wieder und wurde nun von ihrem Manne hinterrücks wie eine störrische Ziege zur Stube hinausgedrängt.
    »Unglaublich, was sich die Menschen gegenseitig nicht antun. Es scheint fast, als ob sie sich nur heirateten, um sich ungestraft chikanieren zu können, und so ein Abkommen nennen die Priester gar noch ein heiliges Sakrament.«
    »Das sie schlauer Weise nicht selber empfangen, sondern den Laien überlassen, damit sie darin selig werden. Sie sind wohl selber nicht verheiratet, Herr Direktor?«
    »Nein, ich begnüge mich damit, den anderen Leuten die Kinder zu erziehen, und habe vor acht Tagen gerade Pause in dem Geschäft gemacht, um mich ein wenig zu erholen. Ich wollte an die italienischen Seen hinunter. Wie wär's, wenn wir zusammen gingen?«
    »Um nach unserem heutigen Siege Arm in Arm unser Jahrhundert in die Schranken zu fordern? Sei's drum, vorausgesetzt, daß wir über Göschenen kommen, ich möchte allda den Ernst Zahn kennen lernen.«
    »Einverstanden,« sagte der Schulmann, und wir setzten uns an den Tisch und nahmen das Abendessen mit gutem Appetit zu uns.
    Traumlos hatte ich geschlafen. Bereits die vierte Nacht war nun schon herumgegangen, ohne daß der tote Bäcker vor meiner Bettlade stand. In Dankbarkeit erinnerte ich mich dessen, als ich vor dem Spiegel stand, um mir eilig die Backen zu rasieren, denn schon hörte ich, wie der Direktor

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