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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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alltäglichen Geschäften nach.
    Die nahmen nun schon alle meine Zeit in Anspruch, denn der Arbeit war mehr geworden und die Tage kürzer. Weihnachten war vorüber, und ich freute mich auf den Silvesterabend, der mit befreundeten Familien zusammen uns das Abschiednehmen vom alten Jahre erleichtern sollte. Um mir die Gefahr, daß ich zu einemNachtbesuche aufgefordert werden könnte, zu verringern, machte ich in der Dunkelheit noch ein oder den anderen Besuch bei Schwerkranken und kam so nach der Vorstadt Müllheim zu. Mein Erstaunen war nicht gering, als ich von weitem schon ein äußerst lebhaftes Schießen vernahm, untermischt mit Schreckensrufen und Hundegebell. »Was los da draußen?« fragte ich einen Schutzmann und fing wie andere zu laufen an. Ein Gerenne hub an übers gefrorene Pflaster hin, und ein Geklapper wie vor einem Brechloch. Jammerrufe dazwischen hinein. Bald ein roter Feuerschein in der Ferne, ein Spautzen und Spucken wie aus einer Schmiede heraus.
    »Brennt's beim Sternwirt?« hörte man aus einem Fenster rufen.
    »Es muß so sein,« antwortete aus dem Dunkeln eine Stimme.
    Rauchballen wälzten sich uns entgegen. Man hustete, stieß wider Menschen und stand vor dem »Stern«. Seine Fensterscheiben waren eingeschlagen. Aus den leeren Gewändern zuckten Stichflammen, während Menschenleiber sich in Klumpen über die Sockelsteine aufs Pflaster wälzten. Einer der Gefallenen erhob sich in heller Verzweiflung und schlug wild mit den Händen um sich. Kein Wunder, unter seinem Wamse schien auf den Schulterblättern ein Maschinengewehr zu funktionieren.
    »In die Bach mit ihm,« schrien die Leute, »ihm ist ein Pulverfrosch unter den Kittel geraten.«
    Hände griffen zu und das feuergefährliche Individuumflog ins Wasser hinunter. Es zischte auf und die Dienstmädchen kreischten: »Der Schorsch, der Schorsch, es ist der Schorsch! Nun hat er's. Was bleibt er nicht vom Sternwirt weg, diesem Himmelsakramenter!«
    »Was kann der Wirt dazu,« antwortete eine Mannesstimme. »Er hatte sich eine Kiste von Feuerwerkskörpern zugelegt, um ein Geschäft zu machen, ihr Schneegäns. Der Lenhard war's, er hat seine Zigarre in den Kasten unter die Schwärmer geworfen.«
    Der Lenhard also war's, wer anders als der Lenhard? Diesmal soll er seinen Streich bereuen. War denn nicht der Armenbüttel aus dem Fenster gefallen? Ja, aber der Übeltäter bereute nicht. Wie ein Bajazzo sprang er von einem Bein aufs andere und hielt sich den Bauch vor Lachen.
    Nun wird er sich dünn machen, denn es kommt soeben die Polizei. Aber nein, er verzog sich nicht. Er hatte einen Zigarrenstummel weggeworfen. Warum sollte er das nicht tun? Hätte der Wirt dort Sauerkraut hingestellt, wo der Stummel hinfiel, so wäre nichts passiert.
    Die Diener des Gesetzes kümmerten sich auch um den Lenhard nicht. Sie hatten den Schankwirt zwischen sich genommen und fragten ihn nach seinem Gewerbeschein. Ja, darin lag der Schwerpunkt. Feuerwerkskörper verkauft ohne amtliche Genehmigung! Man wird ihm Mores beibringen, dem Zapfhahnen.
    Der Wirt stand in der Tat wie vernichtet da. Ich konnte ihn beobachten, während ich den Schorsch verbandund die anderen Leichtbeschädigten. Einem Ecce homo sah er gleich, ganz geknickt, ganz vernichtet. Der Silvester hätte ihm eine gute Einnahme bringen sollen, statt dessen stellte er ihn vor zerschlagene Flaschen, zertrümmerte Fenster und unbezahlte Zechen. Denn daran war nicht zu denken, daß einer seiner Gäste zurückgekehrt wäre, um zu fragen, was er schuldig geblieben. Nein, nein, die Rotte Korah hatte mit dem Sternwirt kein Mitleid. Johlend und lachend zog sie ab, um in einer anderen Schenke zu verzehren, was sie hier erspart hatte. Ich selber war mit der Herde nach der Stadt gezogen, aber meinem Bette entgegen im Bewußtsein, daß das scheidende Jahr mir noch einen schönen Abend geschenkt habe.

Ein erster Flug vom Neste

    ch weiß nicht, ob es anderen Menschen auch so geht wie mir. Wenn das Wetter mich ins Zimmer bannt, muß ich zu meiner Unterhaltung Reisepläne schmieden. Gebt mir ins Zuchthaus einen Atlas mit, und ihr habt mir die Hälfte meiner Strafe geschenkt. O, dies Arbeiten an einem Reiseplan! Es ist vielleicht das beste, was man von der Reise hat. Man ist vom Alltag fern, geht über schwindelerregende Abgründe und fällt nicht herunter, steigt über himmelhohe Berge und wird nicht müde dabei.
    Diesmal hatte ich die Karte von Dänemark auf mein Knie genommen. Nach diesem fernen Norden wollt' ich einmal

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