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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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Güterschuppen. Den Strom ahnte man nur und von den gewaltigen Schiffsleibernsah man einzig das Gerippe von Rahen und Masten zwischen zwei, drei Buglaternen. Ärgerlich suchten wir den Kai entlang nach der »Darmstadt.«
    »Wo ist nun dein berühmter Spürsinn?« fuhr ich heraus meinem Begleiter gegenüber.
    Kleinlaut gab er zurück: »Guck, wenn der Kasten da nicht zu hoch auf dem Wasser läge, tat ich meinen, er wär's. Sind wir doch heut morgen vom Bord auf den Kai gestiegen und jetzt müßten mir das umgekehrte tun, trotzdem man doch über Tags Eisen geladen. – Versteh' das, wer da will.«
    In diesem Augenblick wanderte in einen Regenmantel gehüllt ein Nachtwächter vorüber. Ich hielt ihn an und sagte: »Wo liegt der Dampfer ›Darmstadt?‹«
    »Vor Ihrer Nase,« war die Antwort.
    Wir glaubten der unfreundlichen Auskunft nur so halb und halb, stiegen aber gleichwohl aufs Verdeck und suchten uns zu orientieren. Eine Kabinentür stand seitwärts des Schornsteins offen. Mein Begleiter trat in die Kammer.
    »Was willst du da im Dunkeln,« fragte ich.
    »Laß mich gewähren,« war die Antwort.
    »Wenn ich hier auf der Tapetenleiste einen Zigarrenstummel finde, dann weiß ich, wo meines Vaters Sohn zu Hause ist. Ah hä,« lachte er plötzlich auf, »da ist er ja. Nun sind wir, wo wir hingehören. Guck, von den Zigeunern hab' ich das gelernt. Wo man einmal war, da muß man etwas von sich liegen lassen. Man kann daran sich zurecht finden, wenn man vom Wegeabgekommen ist. Nur möcht' ich bei des Satans Großmutter nun auch noch wissen, wie das verrückte Laufbrett dazu kommt, einen irre zu machen.«
    Da ich dies Rätsel nicht zu lösen verstand, zog ich mich langsam aus und ging ins obere Bett, nachdem ich das Licht ausgedreht hatte. Aber der Schlaf wollte sich nicht zu mir gesellen. Schuld daran war, daß einerseits mein Schlafgenosse zu laut schnarchte, und daß andererseits mich das Geheimnis mit dem Laufbrett quälte.
    Während ich so lag und sann, hörte ich auf dem Gange draußen die Frage stellen:
    »Wann werden wir den Anker heben, Kapitän?«
    »Gegen Morgen; erst muß die Flut verlaufen.«
    Die Flut, die Flut, dies eine Wort gab den Dingen ihr natürliches Gesicht. Wie dumm auch war's von mir, daß ich an den Wechsel der Gezeiten nicht gedacht hatte. Ich war doch noch ein unerfahrenes Grünhorn. Das aber durfte mein Freund nicht wissen, er mußte an meine Weltkenntnis glauben, wenn ich sein Reisemarschall bleiben sollte.
    Beim Erwachen am nächsten Morgen schwammen wir schon die Schelde hinunter. Über mir ertönten die Schritte der Matrosen und unter mir das Gurgeln meines Freundes, der sich die Zähne putzte. »Du,« sagte ich zu ihm, »nun ist mir eingefallen, warum heute Nacht die ›Darmstadt‹ so hoch überm Kai stand. Die Flut war gerade da, als wir vom Zechen nach Hause kamen.«
    »Was du nicht alles weißt! Ein Mordskerl bist dufürwahr. Man sollte dein Bild in die Bauernkalender pinseln, damit die Leute sehen, daß du größer bist als Pilatus und Kolumbus, von denen doch der eine die Kartoffeln erfunden haben soll, wenn ich die Schwerenöter nicht mit Kopernikus verwechsle. Denk' nur, wie mein Gedächtnis nachläßt. Als Handwerksgeselle konnte ich böhmisch bis auf zehn zählen und als Kommerzienrat kaum noch auf drei.«
    Die »Darmstadt« wollte nach Japan. Sie sputete sich so gut es ging, und wir waren schon tief im Ärmelkanal, als es abermals tagte. Es war ein Sonntag, und die Schiffskapelle hatte die Schläfer mit einem Choral geweckt.
    Ich erhob den Kopf vom Kissen. Gerade mir gegenüber an der Außenwand des Schiffes war das Bullauge. In seiner hellen Scheibe stand nun, von einem glänzenden Messingrahmen hervorgehoben, mit schwellenden Segeln und glitzernden Masten ein ungeheurer Fünfmaster. Wie eine Arche stand er da, und sein Aussehen hatte etwas patriarchalisch Alttestamentarisches. Als ich all meine Sinne an dieses Prachtstück auf den Meereswogen verschenken wollte, sagte unter mir der Schlafgeselle:
    »Gestern in der Frühe hast du mir eine Neuigkeit erzählt. Heute kann ich dir mit so was ähnlichem dienen. Denk' nur, meine Hosen sind zerrissen gerade über dem Knie.«
    »Wenn du noch andere Beinkleider hast, dann ist die Sache nicht schlimm.«
    »Gewiß ich bin vorgesehen. Ich hab noch eine Sonntagshose im Koffer. Wie steht's übrigens, mein Lieber, nicht ein wenig Aufstoßen in der Gurgel als Vorboten der Seekrankheit? Sieh' her auf mich! Mir tut dies Schaukeln nichts. Ich bin

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