Erlebnisse eines Erdenbummlers
im Bund durchstreifte er in unserer Gesellschaft die Stadt und deren reizvolle Nachbarschaft. Ein Zug trug uns nach Nizza hinunter und auf der Rückfahrt versuchten wir unser Glück in Monte Carlo. Am meisten profitierte dabei der Mann mit den gewürfelten Hosen. Sie waren doch allzu ordinär, und ihres Musters wegen wurde ihr Inhaber zu den Spielsälen nicht zugelassen. So behielt der Beneidenswerte sein Geld in der Tasche, während das unsere zum Teil wenigstens in dem Schrank der Spielhölle übernachtete.
Eine unglaubliche Hitzewelle lagerte damals über den ligurischen Gestaden und neben der Palme ließ auch mein älterer Reisegenosse den Kopf hängen. Eine Art von Dysenterie war über ihn gekommen, vernichtete seine Genußfähigkeit und leider auch das mühevolle Tagewerk der schönen Rosa. Die Unaussprechlichen mußten mit den Händen getragen werden, wenigstens dann, und so lange nicht ihr Besitzer an einem Orte weilte, wo er für Besuch nicht zu sprechen war. Es ging nicht anders, wir mußten ihn und uns aus dem Höllenfeuer der südlichen Sonne herausbringen.
Über Turin retteten wir uns ins Tal der Dora Baltea hinein. In Courmayeur fanden wir zum erstenmal wieder Ruhe vor den Stechfliegen und einen erquickenden Schlaf. Wie neugeboren wanderten wir amnächsten Tage langsam die bequeme Straße nach dem kleinen Bernhard hinauf. Schon fing es an zu dunkeln, als wir uns dem Hospiz näherten. Von der hohen Freitreppe vor seinen Mauern hat man einen schönen Blick nach Süden hin, wenn man sich die Mühe macht, sich umzudrehen. Ich tat es, und ich forderte dazu auch meinen Genossen auf, den mit den karierten Hosen nämlich. Wir standen, die Augen den lombardischen Gefilden zugewendet, und ich legte dem Freunde die Frage vor, ob ihm nun Italien den Eindruck eines Stiefels gemacht habe? Entrüstet fuhr er mich an: »Einem Stiefel soll dies Land gleichen? Einem schmutzigen Klosett ist es ähnlich. Außer der Rosa habe ich nichts Schönes darin gesehen.«
Ja, Reisen und Reisen ist ein Unterschied. Wer in die Fremde nichts hineinzutragen hat, wird aus der Fremde auch nichts mitbringen.
Ein neuer Tag führte uns das Flußtal der Isere hinunter und ein folgender über Genf hinweg der Heimat wieder zu.
Die Heliotropfarbenen haben unter dem Sitzfleisch eines Kesselschmiedes ein unrühmliches Ende gefunden, nachdem sie an den Beinen ihres Herrn einen Auflauf der Schuljugend veranlaßt hatten. Für meine mündlichen Reiseberichte am Stammtisch zeigte man an der Bergstraße wenig Interesse. Nachdem man durch meine Begleiter erfahren hatte, daß in Italien die Pferde Strohhüte und die Katzen kurze Schwänze trügen, waren Phantasie und Geist genügend beschäftigt und ausreichend befriedigt.
Über Zion und Seinebabel zurück an die Bergstraße
as Jahr fünfundneunzig hatte einen guten Wein geliefert und mit dem half ich mir hinweg über die Schikanen des überlauten Werkeltages. Im stillen bereitete ich mich vor auf eine längere Reise, die mich über das Land der Griechen hinweg nach dem Libanon und seinen Ausläufern führen sollte. Das Jahr sechsundneunzig brachte die Verwirklichung meines alten Traumes. Was ich auf dem Hin- und Herweg erlebt, ist in der »Kreuzfahrt« beschrieben. Unnötig deshalb, daß ich hier weitschweifig werde. Bemerken aber will ich, daß mir das zitierte Buch viel Anfechtungen brachte, weil ich noch nicht wußte, daß man nicht ungestraft auf den Markt gehen darf, um seine Seele zu entkleiden im Dienste der Wahrheit. Zu meiner Rechtfertigung will ich nur eines hier erzählen.
Eines Tages, es war im Frühjahr neunzehnhundert, bekam ich einen Brief aus Augsburg. Ein angesehener Geistlicher dieser Stadt ersuchte mich um die Erlaubnis, die »Kreuzfahrt« in einem katholischen Sonntagsblatt, dessen Redakteur er sei, veröffentlichen zu dürfen. Ich schrieb sofort zu und bekam nun die einzelnen Belegnummern regelmäßig ins Haus geschickt. Doch eines Tages blieben sie aus. Statt ihrer kam ein Brief,worin mir mitgeteilt wurde, daß die Publikation des Ganzen hätte müssen unterbrochen werden. Das Nähere würde ich erfahren, wenn der Briefschreiber demnächst nach Weinheim käme. Er hätte die Absicht, die Pariser Weltausstellung zu besuchen, und gedächte bei mir Station zu machen, vorausgesetzt, daß sein Kommen erwünscht wäre.
Von meiner Seite ging nun eine höfliche Einladung ab, und ich hatte die Freude, am Bahnhof einen lieben geistlichen Herrn begrüßen zu dürfen, mit dem ich auf der
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