Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)
Krishnas im Hinduismus und Buddhas im Buddhismus.
Unrealistisch : Nie wird in den christlichen Kirchen die vom Neuen Testament her geforderte Glaubensüberzeugung von dem mit Jesus gegebenen normativen und definitiven Wort Gottes und Christus aufgegeben werden zugunsten einer Gleichstellung Jesu Christi mit anderen Offenbarungsträgern und Heilsbringern. Das älteste Glaubensbekenntnis der Christenheit bei Paulus »Kyrios Jesus = Herr ist Jesus« kann nicht ersetzt werden durch »Kyrios Kaisar« oder »Kyrios Gautama« …
Die »pluralistische Religionstheologie« John Hicks und anderer hat es leider dem Glaubensinquisitor Kardinal JOSEPH RATZINGER allzu leicht gemacht, sich in der Erklärung der Glaubenskongregation »Dominus Iesus« gegen sie zu wenden. Ich selbst habe nie einen »Absolutheitsanspruch« des Christentums verteidigt, wohl aber den Glauben an Jesus, der für die Glaubenden »der Weg, die Wahrheit und das Leben« ist. Ich lehne Ratzingers römischen »Glaubensabsolutismus« ab, bin aber auch nicht bereit, den »Glaubensrelativismus« der Pluralisten zu akzeptieren. Die Aufforderung von Paul Knitter, den »Rubikon« zu überschreiten, lehnte ich ab mit der Begründung, dass es sich hier nur um den »alten Rhein« handle, der zum Liberalismus des 19. Jahrhunderts zurückführen würde, von dem sich schon Karl Barth zu Recht abgewandt hatte.
Gerne hätte ich John Hick bei der englischen Erstaufführung unserer Weltethos-Komposition in Birmingham am 21. Juni 2012 dabeigehabt. Er wäre sicher mit Freude dabei gewesen. Aber er war im selben Jahr schon am 9. Februar im Alter von 90 Jahren verstorben.
Kein Weltfrieden ohne Religionsfrieden!
Nun ist es schon bald ein halbes Jahrhundert her, dass mir im April 1967 anlässlich der Jahrhundertfeier der American University in Beirut, damals die bedeutendste Lehrstätte des Nahen Ostens, zum ersten Mal die hochpolitische Bedeutung des interreligiösen Dialogs klar wurde. Noch herrschte Frieden zwischen dem politisch dominanten christlichen und dem ständig wachsenden muslimischen Bevölkerungsteil. Hätte man damals in Beirut interreligiösen Dialog gewagt, hätte dies auch den politischen Dialog befördern können: Aber »trop tôt, zu früh« sei dies, sagte mir der Kongresspräsident und langjährige libanesische Außenminister CHARLES MALIK . Doch eine gerechtere, faire Teilung der politischen Macht hätte den bald drohenden Bürgerkrieg in der »Schweiz des Nahen Ostens« verhindern können: Durch einen ernsthaften religiösen Dialog hätte man die Basis legen können für eine vernünftige und gerechte Korrektur der politischen Machtbalance zwischen den beiden großen Bevölkerungsgruppen. Das aber ist damals und auch später nicht geschehen, und die Folge waren Bürgerkriege und eine Zerstörung der Insel des Friedens. Diese Einsicht hat mich in den folgenden Jahren geleitet, immer mehr die politischen Dimensionen des interreligiösen Dialogs auszumessen.
Schon 1984 zog ich – ein Jahrzehnt vor Samuel Huntingtons undifferenzierter Hypothese vom »Clash of Civilizations« – die gegenteilige Schlussfolgerung. Mein Schlusswort im Buch »Christentum und Weltreligionen« war betitelt »Kein Weltfrieden ohne Religionsfrieden!«, und das Fazit, das ich aus all den Religionsdialogen zog, drückt meine schon früh geäußerte realistische Vision präzis aus:
»Interreligiöser ökumenischer Dialog ist heute alles andere als die Spezialität einiger weltfremder religiöser Ireniker, sondern hat heute zum erstenmal in der Geschichte den Charakter eines auch weltpolitisch vordringlichen Desiderats; er kann helfen: unsere Erde bewohnbarer, weil friedlicher und versöhnter, zu machen.
Kein Frieden unter den Völkern dieser Welt ohne einen Frieden unter den Weltreligionen!
Kein Frieden unter den Weltreligionen ohne einen Frieden unter den christlichen Kirchen!
Die Kirchenökumene ist integraler Teil der Weltökumene: Der Ökumenismus ad intra, auf die Christenheit konzentriert, und der Ökumenismus ad extra, auf die gesamte bewohnte Erde ausgerichtet, sind interdependent! Frieden ist unteilbar: er fängt im Inneren an!«
Meine Vision beginnt Gestalt anzunehmen. Und sie weitet sich aus.
Fünfmal um die Welt
Es war mir geschenkt, schon in jungen Jahren weite Reisen unternehmen zu können. Schon unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg als Gymnasiast quer durch das zerstörte Deutschland, auch durch das befreite Frankreich nach Paris und vom Jura bis
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