Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)
zur Côte d’Azur, schließlich mehrere Wochen in England. Dann die sieben Jahre Studien in Rom und die zwei in Paris mit längeren Studienaufenthalten in Madrid, London und Amsterdam. Natürlich hatte ich Lust auf Reisen, um möglichst viel von der Welt kennenzulernen. Aber dass mir das ermöglicht wurde, verdanke ich meinen großzügigen Eltern, meinem Schweizer Pass und einer wachsenden Zahl von Einladungen zu Vorträgen. Erste Auslöser dafür waren meine mit einem rühmenden Geleitwort von Karl Barth versehene Doktordissertation »Rechtfertigung. Die Lehre Karl Barths und eine katholische Besinnung« (1957) und das Buch »Konzil und Wiedervereinigung. Erneuerung als Ruf in die Einheit« (1960).
Seit 1960, meinem 32. Lebensjahr, bin ich Professor an der Universität Tübingen. Von hier aus startete ich meine Reisen und kehrte auch hierher wieder zurück: Teilnahme am Zweiten Vatikanischen Konzil in Rom (1962 – 65) und im Kennedy-Jahr 1963 eine sechswöchige Vortragsreise durch die Vereinigten Staaten von Ost nach West und von Nord nach Süd. Im Jahr darauf (1964) folgte die erste Reise um die Welt. Ich reiste nicht als Globetrotter oder Weltenbummler, sondern als Theologe, der die Religionen und Konfessionen, Regionen und Kulturen, Städte und Landschaften, Land und Leute nicht nur aus Büchern kennenlernen wollte, sondern aus der unmittelbaren Begegnung. Viele Menschen, die ich gerade im Zusammenhang von Vorträgen kennenlernte, halfen mir beim Verstehen dieser Völker und Länder oft mehr als manche lange Abhandlung.
Unter »Weltreisen« verstehe ich hier also nicht einfach Reisen in die »große weite Welt«, wie ich sie natürlich auch für Vorträge etwa in Skandinavien, in Israel oder in arabischen Ländern, in China, Afrika, Südamerika und Nordamerika unternahm. Ich meine damit vielmehr wirklich Reisen rund um die Welt . Und weil ich in den folgenden Kapiteln dieses Buches immer wieder auf diese Reisen zurückkommen muss, habe ich hier zur Orientierung die verschiedenen Weltreisen kurz aufgelistet, eine Art kleiner »Reiseatlas«, damit der Leser die große Zahl der Orts- und Zeitangaben besser in einen Gesamtzusammenhang einordnen kann.
Für die erste Weltreise (1964) hatte ich nur 25 Tage zur Verfügung; heute wäre aufgrund der ständigen Verspätungen und scharfen Sicherheitskontrollen im Luftverkehr eine solch straffe Planung kaum möglich (vgl. Bd. 1, Kap. IX: Eine Reise um die Welt). Meine Stationen: Teheran – New Delhi – Agra – Jaipur – Benares/Varanasi – Kalkutta – Kathmandu – Bangkok – Hongkong – Tokio – Washington – Chicago – New York – Stuttgart.
Für die zweite Weltreise (1971) stand mir aufgrund eines mir gewährten Forschungssemesters ein halbes Jahr zur Verfügung. In meinen »Erinnerungen« (Bd. 2, Kap. V: Welt-Reise und Welt-Theologie) habe ich von meinen Erlebnissen ausführlich berichtet: Auf erheblichen »Umwegen« gelangte ich zu unseren australischen Antipoden: zuerst ins kommunistische und christlich-orthodoxe Russland, dann ins damals noch friedliche muslimische Afghanistan, weiter ins Zentrum der Sikhs, das indische Amritsar, von dort über Delhi in den hinduistischen Süden Indiens und von da ins buddhistische Sri Lanka. Dann über Singapur in das tolerant-islamische Indonesien und schließlich zur Halbzeit Ankunft in Australien; einer Einladung in das Trinity College/University of Melbourne hatte ich ein Flugticket »Around the World« zu verdanken und so die Mitfinanzierung dieser Reise. Weiter ging es auf der anderen Seite der Erdkugel in das landschaftlich so vielfältige Neuseeland und nach Neukaledonien mit der Île des Pins und dann über die Südseeinseln Fidschi, Samoa und Tahiti in die USA und nach mehreren Vorträgen dort zurück nach Europa.
Die dritte Weltreise (1981/82): Im Anschluss an das Gastsemester an der University of Chicago im Herbst 1981 zu einem Internationalen Symposion über den »Paradigmenwechsel in den Religionen« an der University of Hawaii, weiter dann nach Japan, nach Tokio, Nagoya und Kyoto, schließlich nach Korea, Taiwan, Bombay und von dort zurück nach Europa.
Die vierte Weltreise (1983/84): Im Anschluss an das Gastsemester an der University of Michigan in Ann Arbor ging es im Herbst 1983 erneut nach Hawaii zur »East-West Religions Encounter Conference«. Von dort in das Südseekönigreich Tonga und über die Inseln nach dem australischen Brisbane und weiter zu den Steinzeitmenschen in
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