Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)
Papua-Neuguinea. Dann über Bangkok nach Süd- und Nordthailand (Chiang Mai) und nach Burma (Rangun, Pagan, Mandalay). Weiter nach Nepal und über Delhi nach Pakistan (Lahore, Islamabad, Rawalpindi, Karatschi) und schließlich über Dubai zurück nach Europa.
Die fünfte Weltreise (1987): Dieses Mal von Frankfurt aus über den Nordpol nach Alaska und nach einem Helikopter-Rundflug über Anchorage weiter nach Japan zum Zen-Symposion in Kyoto. Anschließend eine Studienreise durch die wichtigsten Städte Japans, gesponsert von der Japan Foundation. Von da nach Taipeh und Hongkong und so nach China – Schanghai, Hangzhou, Wushi, Nanking, Peking, Chengdu – und von dort nach Tibet. Von Lhasa aus Rückflug nach Chengdu und weiter nach Kunming (Yunnan), Guilin und schließlich nach Hongkong, von wo der Rückflug nach Zürich und Stuttgart erfolgte.
Ob ich denn zwischen den vielen Reisen nicht auch Ruhepausen eingeschaltet hätte, werde ich manchmal gefragt. Selbstverständlich, nicht nur in den Skiwochen, sondern auch in den Sommerferien, beides allerdings stets verbunden mit viel Lesen. Besonders die Zeit zwischen Ende Juli und Anfang September verbringe ich normalerweise in meiner Schweizer Heimat, im Seehaus. Dort habe ich im Treppenaufgang schon in den 1960er-Jahren eine große Weltkarte auf Sperrholz aufziehen lassen, wo ich alle besuchten Punkte dieser Welt mit verschiedenfarbigen Stecknadeln markiere. Die meisten natürlich zwischen Schottland und Sizilien, Spanien und Polen, aber viele auch in allen großen Weltregionen, mit Ausnahme von Sibirien, weil ich dorthin nie eine Vortragseinladung erhalten habe und folglich nur bis Perm am Ural vorgedrungen bin. Die zunehmend unsicheren Flugreisen in Russland machten mir auch wenig Lust, dies nachzuholen. So begnügte ich mich denn damit, auf den Rückflügen von Japan, Korea oder China immer wieder einen Blick nach unten zu richten auf das sibirische Tief- oder Bergland und auf die Flüsse, die nach Norden ins Polarmeer münden, aber oft gefroren und nur als silbrige oder dunkle Streifen erkennbar sind.
Reiselust und Heimweh
Meine Reiselust war noch längst nicht erschöpft. Aber am Ende meines »amerikanischen Jahrzehnts« war ich doch zur Überzeugung gelangt, dass ich nicht auf Dauer in Amerika ansässig sein möchte. Mein geheimer Traum von einem Lehrstuhl in Kalifornien, etwa in Claremont bei Los Angeles mit einem Haus am Pazifik, war letztlich unrealistisch. Mit der wachsenden Zahl meiner Publikationen und sonstigen Verpflichtungen war die Korrespondenz derart angeschwollen, dass ich sie weder aus der transatlantischen Distanz noch aus der Nähe nach meiner Rückkehr leicht bewältigen konnte.
Doch ging es mir persönlich noch um etwas anderes. Nicht umsonst trägt der erste Abschnitt des ersten Kapitels des ersten Bandes meiner »Lebenserinnerungen« den Titel »Heimat?«. Darin lege ich dar, dass mein Verhältnis zu meiner Heimat, der Schweiz, bis heute kritischer ist als das der Katholisch-Konservativen, aber zugleich konservativer als das der links-intellektuellen Kritiker. Es ist bei allen Kämpfen unverkrampft geblieben. Und ich gestehe gerne, dass ich auf meinen Reisen in die weite Welt und den monatelangen Auslandsaufenthalten auch immer wieder Heimweh nach meiner Heimat hatte. Nach Land, Natur, Familie, Freunden, Gemeinwesen … Es ist eben ein ganzes Wurzelgeflecht: historische, natürliche, kulturelle, geistige, familiäre Wurzeln, die mich nicht loslassen.
»Heimweh«? Das Wort ist seit dem 17. Jahrhundert bezeugt, stammt ursprünglich aus der Schweiz und wurde wohl im Blick auf die vielen Schweizer Soldaten in fremden Diensten als »Morbus helveticus« bezeichnet. Die Franzosen sollen das Spiel eines populären Schweizer Hirtenliedes (»Kuhreihen«, »Ranz des vaches«) bei Todesstrafe verboten haben, da es die Soldaten zur Desertion verleite. Ich verstehe selbstverständlich Heimweh nicht als eine Krankheit (»Nostalgie« ist wohl eine medizinische Übersetzung des deutschen Wortes), wohl aber als ein starkes Sehnsuchtsgefühl, das sich bei mir auch auf meine zweite Heimat Tübingen im benachbarten Schwabenländle ausdehnte.
So war ich denn stets froh, wieder in die Heimat zurückkehren zu können. »Wo gehn wir denn hin?«, heißt es im letzten Werk des Romantikers NOVALIS . Und die Antwort ist: »Immer nach Hause«. Meine Sehnsucht war die ganze Zeit nicht romantisch auf überirdischen Frieden, die Blaue Blume, das Unendliche und damit auf
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