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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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das Christentum, weil er afrikanischer ist! Zugleich wird mir deutlich: Für die Verbreitung des muslimischen Glaubens braucht es nicht die gebildeten »Ulama« oder einen mit angeblich übersinnlichen Kräften begabten Marabut. Gerade in Schwarzafrika zeigt sich: Jeder einfache Händler oder Wanderarbeiter kann als Missionar tätig sein – wie es die aus Laien bestehenden, sehr aktiven religiösen Bruderschaften oder Sufi-Orden sichtbar machen, die oft nicht nur Familien und Sippen, sondern ganze Stämme umfassen, ja in durchaus friedensstiftender Weise sogar mehrere Stämme verbinden.
    Meine Überzeugung festigt sich: Das Christentum wird diese Herausforderung nur dann bestehen, wenn es seine traditionelle Verkündigung und kirchliche Praxis im Licht der christlichen Ursprünge kritisch überprüft, und zwar im Blick auf das, was für ein afrikanisches Christsein heute unbedingt notwendig ist. Es muss unterschieden werden zwischen Wesentlichem und Nebensächlichem, Zentralem und Peripherem. Meine Hinweise auf das in Äthiopien noch untergründig vorliegende judenchristliche Paradigma wollen auf die in Afrika leider alles überlagernde Hellenisierung, Latinisierung und Europäisierung aufmerksam machen. Keine Frage: dies alles hat ein authentisches afrikanisches Christentum eher verhindert, während der Islam sich je nach Region in oft recht verschiedener Weise afrikanisiert hat. Eine Ausnahme bilden allerdings die Pfingstkirchen und unabhängigen Kirchen, deren Zahl und Einfluss in der Bevölkerung vieler afrikanischer Länder in den letzten Jahrzehnten enorm gestiegen sind.
    Und bezüglich der Frage der Polygamie : Wäre vielleicht in der christlichen Kirche in afrikanischem Kontext nicht ein Unterschied zu machen zwischen der gewiss auch hier zu verkündigenden Idealforderung der Einehe, deren Durchsetzung aber schon im Judentum Jahrhunderte gebraucht hat – und die in Europa und Amerika heute oft durch die »sukzessive Vielehe« umgangen wird –, und der Realforderung einer gerechten und liebevollen Behandlung der Ehefrauen im Verband einer nun einmal traditionell-polygamen Struktur? Man hat mir wie in Polynesien so auch in Afrika klargemacht, dass eine unmittelbare Auflösung der Polygamie praktisch der Verstoßung der vorher legitimen Ehefrauen samt ihren Kindern, ja einer Auflösung der gesamten für afrikanische Verhältnisse grundlegenden Familien- und Sippenstruktur gleichkäme. Allerdings, daran möchte ich festhalten: Für die Rechte der auch in Afrika oft erschreckend unterprivilegierten, ja grausam behandelten Frauen einzutreten ist der Kirchen strenge Pflicht. Aufgeklärte Afrikanerinnen, die entschieden um der Würde der Frau willen die Einehe fördern, sind energisch zu unterstützen, und ein Hinzuheiraten einer zweiten Frau ist heute abzulehnen. Die traditionellen Stammesstrukturen aber sollten, wo sie noch bestehen, geschont werden.
    Afrikas große Jahrhunderte
    Ein gutes Jahrzehnt nach jener mehrwöchigen Informationsreise fliege ich am 13. September 1997 wieder nach Afrika – diesmal mit einem vierköpfigen Filmteam des Süddeutschen Rundfunks und assistiert von Stephan Schlensog, dem Geschäftsführer der Stiftung Weltethos – zu Dreharbeiten für die Serie »Spurensuche« über die »Weltreligionen auf dem Weg«. Faktisch ist dies der Beginn eines Unternehmens, das sich im Lauf der Jahre zu einem Multimediaprojekt entwickeln sollte. Kein leichter Start, wie sich bald zeigt. Nur ganz allmählich erschließt sich uns – trotz bester Vorbereitung – die traditionelle afrikanische Religiosität mit ihrem Glauben an Ahnen-, Wander- und Stammesgeister, mit ihrem Vertrauen in Heiler und Geistmedien und mit ihren bis heute archaischen Praktiken.
    Die wenigsten aber wissen, dass Schwarzafrika eine bewundernswerte Hochkultur hervorgebracht hat, deren Zeugnisse uns zunächst interessieren. Von Simbabwes Hauptstadt Harare geht es direkt zum größten und eindrucksvollsten Kulturmonument südlich der Sahara: Groß-Simbabwe , die alte Hauptstadt mit riesigen Steinbauten und einem konischen Turm mit Burg, die im 15. Jahrhundert von 12.000 bis 20.000   Menschen bewohnt wurde. Seit 1986 wird es von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt. Wir streifen lange durch die imponierende Anlage und am nächsten Tag auch durch den früheren Stadtbereich, um für die Tag- und Nachtaufnahmen die besten Drehplätze zu finden.
    Mich interessiert zunächst die Frage: Wer hat die »dzimba dza mabwe – Häuser aus

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