Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)
Stein« oder »dzimba woye – ehrwürdigen Häuser« gebaut? Seit die Portugiesen im 16. Jahrhundert als erste Europäer auf Goldsuche ins Landesinnere vordrangen, hat man darüber gerätselt und gestritten: die Königin von Saba? So meinte man lange Zeit ohne geschichtliche Belege. Oder die Phönizier oder arabische Baumeister oder semitische Kolonisten? Jedenfalls nicht Schwarzafrikaner ! Doch gerade dies haben (allerdings erst 1950) der Archäologe DAVID RANDALL MCIVER und (1973 definitiv) der Archäologe PETER GARLAKE bewiesen: Tatsächlich waren es Schwarzafrikaner! Vor allem durch Goldhandel reich geworden, bauten sie im 14. Jahrhundert Groß-Simbabwe, das im 15. Jahrhundert seine Blütezeit erreichte.
Das europäische Fehlurteil hing zusammen mit einem noch heute verbreiteten Vorurteil: Vor Missionierung und Kolonialisierung seien die Schwarzafrikaner »Wilde« gewesen. Dies hat sich als völlig falsch erwiesen. Ganz abgesehen von den alten Kulturen Ägyptens, Nubiens und Äthiopiens, haben sich auch die schwarzafrikanischen Völker entwickelt. Allerdings ohne Schrift, aber doch schließlich mit einer Kultur, die sich in mancher Hinsicht mit unserem Mittelalter vergleichen lässt. Die ungeheuere Naturschranke quer durch den Kontinent bildete damals die Sahara, die nur auf beschwerlichen und gefährlichen Karawanenwegen zu durchqueren war. Trotzdem befanden sich im europäischen Hochmittelalter auch die afrikanischen Völker in einer kulturellen Aufwärtsbewegung, sodass JOSEPH KI-ZERBO , der als erster Schwarzafrikaner eine umfassende »Geschichte Schwarzafrikas« (1981) schrieb, nicht ohne Grund von »Schwarzafrikas großen Jahrhunderten« spricht.
Nach einer Phase der Wanderbewegungen und des Austauschs mit der Außenwelt durch die Araber schienen die schwarzafrikanischen Länder ein gewisses Gleichgewicht erlangt zu haben. Zur Zeit der ersten kühnen portugiesischen Expeditionen im 15. Jahrhundert jedenfalls hat es schwarze Königreiche gegeben mit differenzierter Sozialstruktur, ausgeklügelter Machtbalance zwischen unterschiedlichen Interessengruppen sowie beachtlicher Kunst und Kultur. Es waren dies mehr oder weniger zentralisierte Herrschaftssysteme, aber selten Einmannregierungen. Man hat sie (bei allen Unterschieden) mit den frühen mittelalterlichen Staaten Europas verglichen: am Golf von Guinea die Königreiche Oyo (Yoruba)und Benin, im Westsudan die Reiche Mali und Gao, im Zentralsudan die Haussa-Staaten und Kanem-Bornu, in Zentralafrika das Kongoreich, an der ostafrikanischen Küste mehrere Stadtstaaten und später in Simbabwe das Monomotapa-Reich. Dieses nahm die Bevölkerung von Groß-Simbabwe auf, als diese ihre Stadt kampflos verließ – aber warum? Das ist die große Frage: wegen Dürre, wegen ausgebeuteter Natur oder vielleicht doch eher wegen einer Krise des Goldhandels? Wir wissen es nicht – der große Nachteil einer bedeutsamen, aber schriftlosen Kultur.
So frage ich mich, wann es zur Stagnation der schwarzafrikanischen Völker gekommen ist. Als am Ende des 15. Jahrhunderts der Portugiese VASCO DA GAMA über Ostafrika (Mombasa/Malindi) den Seeweg nach Indien fand, war das ein Fanal einer neuen Epoche für Afrika. Im 16. Jahrhundert aber wird durch die Europäer die innerafrikanische Entwicklung in West- und Ostafrika jäh unterbrochen. Erst ab dieser Zeit kommt es zur Stagnation und Verelendung der schwarzafrikanischen Völker : erstens durch den riesigen Sklavenhandel sowohl der Araber wie privilegierter europäischer Handelsgesellschaften mithilfe afrikanischer Potentaten besonders an der afrikanischen Westküste zwischen der Senegalmündung und Nordangola (bis etwa 1800), zweitens durch den Kolonialimperialismus der europäischen Mächte selbst, die ganz Afrika im 19./20. Jahrhundert territorial wie einen Kuchen unter sich verteilten und ausbeuteten.
Mit den »Wilden« und »Heiden« Afrikas haben die »Christen« Europas, aber auch Arabiens Muslime einen gewinnbringenden Handel aufgezogen, der ihnen selber – trotz aller erbitterten Rivalitäten um diesen lukrativen Markt – wirtschaftliche Prosperität bringt, den afrikanischen Völkern aber Elend und Erniedrigung. Im 15./16. Jahrhundert sind es vor allem die Portugiesen (für Brasilien und die spanischen Kolonien in Amerika), im 17./18. Jahrhundert die Engländer, Holländer und Franzosen, aber auch Dänen, Schweden, Brandenburger, die zusammen mit ihren afrikanischen Zwischenhändlern an der westafrikanischen
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