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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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war diese Frage des Prüfungsrechts den kirchlichen Autoritäten wichtig genug, um erneut eine große Auseinandersetzung zu initiieren.
    In jener »historischen« Fakultätssitzung unter Anwesenheit von Universitätspräsident Theis vom 25. März 1980, in welcher die Ausgliederung meines Lehrstuhls und Instituts beschlossen wurde, war in die Habilitationsordnung der Katholisch-Theologischen Fakultät der ergänzende Satz aufgenommen worden: »Der Direktor des Instituts für Ökumenische Forschung der Universität Tübingen ist den Mitgliedern der Fakultät in diesem Verfahren gleichgestellt bei Arbeiten, die von ihm betreut werden.« Aber jetzt beruft man sich plötzlich auf eine Besprechung zwischen dem Wissenschaftsminister HELMUT ENGLER in Stuttgart und dem Bischof von Rottenburg vom 21. April 1980, von der bezeichnenderweise nichts Schriftliches vorliegt. Und man beruft sich auf eine bisher ebenfalls nicht bekannte Stellungnahme des kirchenfreundlichen Freiburger Staatskirchenrechtlers ALEXANDER HOLLERBACH . Ob ich will oder nicht: Im Interesse meiner Schüler bin ich gezwungen, erneut meinen Rechtsanwalt Dr.  DIETER BAHLS aus Heidelberg einzuschalten, der sich zunächst um Akteneinsicht bemühen muss.
    Die Katholisch-Theologische Fakultät, jetzt ganz bischofshörig, fasst am 29. Oktober 1982 den Beschluss, ich dürfe bei Promotions- und Habilitationsverfahren meiner Schüler nur mit beratender Stimme mitwirken. Auf meinen Einspruch hin kommt es zu langwierigen Verhandlungen. Wissenschaftsminister Helmut Engler kommt eigens von Stuttgart nach Tübingen und hält hier mit dem Universitätspräsidenten und der gesamten Katholisch-Theologischen Fakultät eine Sitzung. Aber ich, der Hauptbetroffene, bleibe ausgeschlossen! Ein schlechter Stil, der von schlechtem Gewissen zeugt.
    So habe ich denn schließlich keine andere Wahl, als an den Großen Senat der Universität Tübingen zu appellieren, meine Rechtsstellung gegenüber der Katholisch-Theologischen Fakultät und dem Bischof zu wahren. Deshalb findet am 11. November 1982 eine Sitzung des Großen Senats statt, in welchem die ordentlichen Professoren aller Fakultäten Sitz und Stimme haben, von denen sich dann auch recht viele zu Wort melden, die meisten zu meinen Gunsten. Die Atmosphäre ist höchst angespannt, und es kommt dabei zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen mir und dem evangelischen Staatskirchenrechtler, der wie die meisten Staatskirchenrechtler die Position der Hierarchie verteidigt (vgl. Bd. 2, Kap. XII: Kirchenfromme Staatskirchenrechtler).
    Einen wenig überzeugenden Eindruck hinterlässt auch das Votum des Dekans der Evangelisch-Theologischen Fakultät. Als Protestant würde er selbstverständlich die akademische Lehr- und Forschungsfreiheit verteidigen, erklärt er selbstbewusst. Aber er windet sich so lange, bis schließlich doch das Verständnis für die Position der Katholisch-Theologischen Fakultät das Übergewicht bekommt. Gerade für den Dekan einer Evangelischen Fakultät finde ich dies beschämend: »Das war kein Heldenstück, Octavio«, Schillers Wallenstein-Wort über den Verrat des Octavio Piccolomini, fällt mir ein.
    Am Ende kommt es zu einem Senatsbeschluss, in welchem meine jetzige rechtliche Stellung als Hochschullehrer für unbefriedigend erklärt wird und die Katholisch-Theologische Fakultät aufgefordert wird, im Rahmen der rechtlichen Möglichkeit um eine Verbesserung meiner Rechtsstellung bemüht zu sein. Darauf fasst diese Fakultät am 19. November 1982 einen Beschluss, in welchem ihr früherer Beschluss vom 29. Oktober »präzisiert« wird: Danach werde ich nun vom Anfang bis zum Ende des gesamten Verfahrens mit beratender Stimme hinzugezogen, kann der Abnahme des Rigorosums beiwohnen und schließlich auch an der abschließenden Gewichtung der mündlichen und schriftlichen Note, die zur Promotionsnote führt – für die akademische Zukunft meiner Schüler höchst relevant –, teilnehmen. Um dem Streit ein Ende zu bereiten, erkläre ich schließlich am 25. Mai 1983 durch meinen bevollmächtigten Anwalt dem Minister, dass ich unter Aufrechterhaltung meiner rechtlichen Bedenken aufgrund der nun erfolgten Beschlüsse von Senat und Fakultät von weiteren Schritten in dieser Angelegenheit absehe. »Sapienti sat« – dem Verständigen genügt’s! Dass mich diese ganzen hässlichen Vorgänge, die sich über mehrere Wochen hinziehen, erneut persönlich arg strapazieren und mir oft den Schlaf rauben, bedarf keiner

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