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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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Doppelbürgerschaft, die zugleich dem Buddha und dem Christus nachfolgen will, scheint mir nicht möglich. Zu verschieden erscheint mir die Glaubenssubstanz, und eine unkritische Vermischung von Religionen ist meine Sache nicht.
    In den Referaten wird viel interessantes Detailwissen ausgebreitet, und ich verschaffe mir kostbare Informationen über die verschiedenen Strömungen in der Welt des Buddhismus. Aber für manche allgemeinen Zusammenhänge und grundsätzlich neue Einsichten finde ich wenig Aufgeschlossenheit; für manche dieser westlichen Buddhismus-Spezialisten bin ich zwar eine bekannte theologische Größe, aber für den Buddhismus wollen sie allein zuständig bleiben und ihr eigenes, oft recht spezielles Feld beackern. Mir jedoch geht es nun einmal – aus systematischen und auch aus praktisch-politischen Gründen des Friedens zwischen den Religionen – um eine historisch-systematische Zusammenschau des Buddhismus und nicht nur um Spezialwissen.
    Dabei ist mir eine große Hilfe Japans berühmtester Buddhologe, Professor NAKAMURA HAJIME , den ich zusammen mit seiner Frau (Erzieherin des Kronprinzen) auf Hawaii kennenlerne und später auch in Tokio besuche. Er ist Experte für den indischen, chinesischen, tibetischen und japanischen Buddhismus, kennt sich in allen Terminologien aus und übersetzt als Erster den Pali-Kanon ins Japanische. Mit ihm und der Hilfe anderer großer Autoren (E. Conze, E. Frauwallner, H. Bechert) erarbeite ich mir unverdrossen langsam das Wissen über die Paradigmenwechsel , die es auch im Buddhismus gegeben hat. Mir hilft die Paradigmenanalyse, recht verschiedene Erfahrungen zu verarbeiten, zu ordnen und wichtige grundsätzliche Fragen zu klären, die oft sehr unzureichend beantwortet werden.
    Welcher Buddhismus ist der echte?
    So fällt mir auf, dass ähnlich wie Christen verschiedener Konfession auch Buddhisten oder Buddhologen andere buddhistische Richtungen nicht selten abqualifizieren. Der deutsche Buddhologe HEINZ BECHERT etwa, Verfasser eines dreibändigen Werkes über Staat und Gesellschaft in den Ländern des Theravada-Buddhismus, mit dem ich Mitte der 1980er-Jahre öffentliche Dialoge in Tübingen führe, anerkennt nur den Theravada-Buddhismus als echten Buddhismus. Mit dem späteren »Buddhismus des Glaubens«, in dessen Zentrum der Buddha Amida steht (der »Buddha von unermesslichem Lichtglanz«, der die Gläubigen in sein Paradies aufnimmt), kann er nichts anfangen. Er bezeichnet ihn nicht als Buddhismus, sondern als Amidismus. Andere Buddhologen betrachten etwa den tantrischen Buddhismus Tibets schlicht als Produkt einer Re-Hinduisierung, somit als einen Rückfall in den Hinduismus.
    Da stellt sich mir eine erste grundsätzliche Frage: Welcher Buddhismus ist der echte, der authentische ? Im Rahmen einer paradigmatischen Darstellung, so bin ich überzeugt, kann ich alle wichtigen buddhistischen Religionsformen – über die drei »Fahrzeuge« bis hin zu Zen und Shin – als verschiedene historisch gewachsene Konstellationen des Buddhismus ernst nehmen. Ja, ich kann sie sogar als echten Buddhismus anerkennen, indem ich jede aus ihrem eigenen Entstehungs- und inneren Sinnzusammenhang zu verstehen suche.
    Ich hatte schon einige buddhistische Länder, vor allem Sri Lanka, kennengelernt und lerne noch weitere Länder des Theravada-Buddhismus , des »Kleinen Fahrzeugs« (Hinayana), kennen, vor allem Thailand und Birma, aber auch die Länder des Mahayana-Buddhismus , des »Großen Fahrzeugs«, also den Buddhismus Japans und Chinas und schließlich den Buddhismus des »Diamantfahrzeugs« ( Vajrayana ) in Tibet. Da stellt sich für mich eine zweite grundsätzliche Frage: Mit welchem Buddhismus soll man Dialog führen? Aufgrund meiner Paradigmenanalyse wird mir klar: Wenn auch alle diese Menschen ihren Buddhismus in einer ganz und gar verschiedenen Gesamtkonstellation, in einem anderen Paradigma leben, so fühlen sie sich doch bei allem Unterschied zu anderen Buddhisten selber jeweils als durchaus echte Buddhisten. Warum sich im Dialog also nur auf eine Richtung konzentrieren und die anderen ausschließen? Ich werde daher keinesfalls eines der buddhistischen Paradigmen gegen andere ausspielen, sondern mit allen wichtigen Religionsformen – vom indischen Ur-Buddhismus bis zum heutigen sozial engagierten japanischen Buddhismus – Dialog führen.
    Durch die Paradigmenanalyse sowohl des Buddhismus wie des Christentums kann ich die Unterschiede, aber auch die Ähnlichkeiten

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