Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)
Kosten drei Zimmer, für Dr. Kuschel, Marianne Saur und mich. Doch halte ich Verbindung mit den bei der New Era Conference versammelten Religionswissenschaftlern. Einige der Forscher sind mir ja bekannt, andere möchte ich gerne kennenlernen. Deshalb lade ich eine kleine interessante Runde zu einem Abend in den Garten unseres Hotels ein: neben David Chappell, dem liebenswürdigen Organisator unseres Kongresses, den Buddhisten MASAO ABE , den Hindu-Forscher AGEHANANDA BHARATI , die britischen Religionswissenschaftler NINIAN SMART und JOHN HICK , den evangelischen Theologen HEINRICH OTT und den katholischen Theologen RAIMÓN PANIKKAR .
Mit Panikkar, einem spanisch-indischen Gentleman, verstehe ich mich sehr gut. Er ist ein origineller Kopf, und wir haben dieselben Ziele einer Verständigung zwischen den Religionen und besonders zwischen der christlichen und der hinduistischen Religion. Aber in der Methode unterscheiden wir uns grundlegend. Panikkar ist für mich zu spanisch-scholastisch; er kümmert sich kaum um Ergebnisse der modernen Exegese. Ich erinnere mich an eine spontane öffentliche Diskussion bei einem »The Fourth Gospel Congress« in Pittsburgh, wo wir am 6. April 1970 in einer Pause im Park rein zufällig in Diskussion geraten über den Johannesprolog und sich um uns rasch eine große Schar von zuhörenden Kongressteilnehmern versammelt. Sie kann verfolgen, wie Panikkar den Johannesprolog von der späteren dogmatischen Trinitätslehre her interpretiert, ich aber von der historisch-kritischen Exegese des Johannesevangeliums her. Ich wollte nicht die später von Theologen erarbeitete Trinitätslehre ganz und gar spekulativ mit der ebenfalls späteren indischen Vorstellung von einer »Trimurti« vergleichen, sondern, wie eben skizziert, den historischen Jesus von Nazaret mit dem historischen Buddha Gautama.
In Hawaii bin ich im Übrigen aber heilfroh, meine Ruhe und Sonne zu haben, schwimmen und intensiv den Buddhismus studieren zu können. Alles mit Blick auf das weite Meer, wo man in der Ferne hin und wieder die Rücken von Walen sich aufbäumen sieht. So studiere ich denn Tag für Tag verschiedene Texte zum Buddhismus. Nur als Weihnachtsgeschenk gestatten wir uns einen wunderbaren Helikopterflug über die ganze Insel Maui, der uns die völlig unterschiedlichen Seiten (Nord- und Süd) der Insel zeigt, aber beim Fliegen in die tiefen Vulkankrater und dem raschen Wiederhochziehen des Hubschraubers vor der Kraterwand Marianne doch erhebliche Angst einjagt. Aber so gewinnen wir unseren eigenen Überblick über die wunderbare Insel.
Nach Neujahr 1982 fliegen wir zurück nach Honolulu und haben auch dort an der Waikiki Beach eine wunderbare Aussicht. Doch es gibt noch andere, dünn besiedelte Seiten der Hauptinsel Oahu, und David Chappell macht uns die große Freude, mit uns eine Rundfahrt zu unternehmen. Wir sind begeistert.
Doch dann wieder der »Ernst des Lebens«. In Honolulu halte ich zwei große Vorträge: den ersten in der Central Union Church über »Wechselnde Modelle der Theologie« (4. 1. 1982), den anderen an der University of Hawaii über »Wissenschaft und Gottesfrage« (5. 1. 1982). Und am folgenden Tag noch ein mehrstündiges Seminar über meine Theologie.
In den Tagen darauf findet im Loa College auf der Regenseite der Insel ein Symposion über Buddhismus und Christentum statt. Jeden Morgen fahren wir so über den Pass und gegen Abend wieder zurück. Unsere East-West Religious Encounter Conference an der University of Hawaii bietet mir wertvolle Informationen, nicht zuletzt auch durch die hier miterlebten Rituale: so etwa jene buddhistische Feuerliturgie und besonders eine Liturgie des Glaubensbuddhismus (»Reines-Land-Buddhismus«), die in der vertrauensvollen Anrufung des Buddha-Namens Amida kulminiert.
Allerdings stellt sich uns bei dieser Gelegenheit die zwischen Julia, Will und mir eifrig diskutierte Frage: Wie weit kann eine religiöse Doppelbürgerschaft gehen? In einer kulturellen Doppelbürgerschaft sehe ich kein Problem, auch eine ethische ist weithin möglich, wie weit aber kann sie im Glauben gehen? Ich kann ehrlicherweise nicht wie mein Freund Will neben mir den Namen des Buddha wie ein Buddhist als Zuflucht anrufen; ich bin nun einmal nicht Buddhist, sondern Christ, und mein »Kyrie eleison« bezieht sich auf Gott und seinen Christus. Deshalb bereitet mir zum Beispiel die Teilnahme an einem baptistischen Gottesdienst auf Maui keine Glaubensprobleme. Aber eine religiöse
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