Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)
Verhältnis der Christen zu den Nichtchristen, für Dialog, für gegenseitiges Verständnis und Zusammenarbeit. Und daran kann ich auch leicht entsprechende Fürbitten anfügen.
Aber dann folgt die eigentliche »Eucharistia«, das Dankgebet mit der Erinnerung an Jesu letztes Abendmahl mit seinen Jüngern, verbunden mit dem Brechen des Brotes. Ich formuliere es nach ursprünglichem biblischem Verständnis so, dass die bekannten Worte »Das ist mein Leib, das ist mein Blut – das bin ich« in Jesu Selbstlosigkeit, Hingabe und Selbstentleerung für Buddhisten verständlich werden. Leiden und Sterben Jesu und das »Auferstehen« in jenes unsagbare Geheimnis hinein, das wir Gott nennen – alles Wesentliche kommt zur Sprache, wie ich auch die Grundstruktur der Eucharistiefeier beibehalte.
Und so folgt die Kommunion : »Kommet alle, die ihr mühselig und beladen seid!« – auch sämtliche Buddhisten kommen, empfangen die Gaben und kommunizieren. Ich aber bin dankbar, dass ich anschließend ohne alle Misstöne mit Schlussgebet und Segen die Eucharistiefeier beschließen kann.
Zu Beginn der nächsten wissenschaftlichen Sitzung macht sich ein immer sehr streng dasitzender Zen-Buddhist zum Sprecher seiner Gruppe. Mit einer gewissen Feierlichkeit, die mich beinahe zu Tränen rührt, dankt er mir für die Feier: Noch nie habe er so gut verstanden, um was es im Christentum eigentlich gehe . Für mich aber ist klar, dass ich diese ganze Feier nur deshalb für Christen wie auch für Buddhisten verständlich gestalten konnte, weil ich ganz vom Jesus der Geschichte her dachte und dabei auch den historischen Buddha im Blick hatte.
Der historische Buddha
Um die Spuren des historischen Buddha genauer zu verfolgen, lande ich ein paar Jahre später (1997) wieder – dieses Mal mit meiner Filmcrew – auf dem unterdessen groß ausgebauten Flughafen von Patna, um von hier sofort zum Städtchen Uruvela, jetzt Bodh Gaya zu fahren. Eine mühsame, nicht enden wollende Taxifahrt auf kleinen Landstraßen. Nachdem der Fürstensohn Siddharta Gautama aus dem Palast im indisch-nepalesischen Grenzgebiet ausgezogen und mit allem Leid der Welt – in der Gestalt eines Alten, eines Kranken und eines Toten – konfrontiert worden war, suchte er eine Antwort auf die Frage, wie er die Furcht vor diesem Leid überwinden könne. Aber als Wandermönch blieb er trotz strengster Askese sechs Jahre erfolglos. Erst nach einer langen Meditation erfährt Gautama in tiefer Versenkung die erwartete Erleuchtung , Erlösung und Befreiung – unter einem Feigenbaum, der später als »Bodhi-Baum«, Baum der Erleuchtung, bezeichnet wird.
Aus Gautama wird Buddha, der »Erwachte«, Erleuchtete. Er hat jetzt die Antworten auf die vier Urfragen und verkündet sie als die »vier edlen Wahrheiten« :
– Was ist das Leiden? Das ganze Leben, von der Geburt bis zum Tod, ist Leiden.
– Wie entsteht das Leiden? Durch Lebensdurst, das Haften an Dingen, das die Menschen fesselt, durch Gier, Hass und Verblendung kommt es von Wiedergeburt zu Wiedergeburt.
– Wie kann das Leiden überwunden werden? Durch Aufgeben des Lebensdurstes, um sich aus der Verstrickung des Daseins zu lösen und so neues Karma zu vermeiden.
– Auf welchem Weg wird dies erreicht? Auf dem »achtfachen Pfad« zum Nirvana: rechtes Denken und rechtes Entschließen, rechtes Wort und rechte Tat, rechtes Leben und rechtes Streben, rechtes Gedenken und rechtes Sichversenken. Die acht Speichen des Rades symbolisieren diesen Pfad zur Erlösung – ein Weg der vernünftigen Mitte, weder Genusssucht noch Selbstzüchtigung.
Mit Ehrfurcht betrachte ich in Bodh Gaya den Bodhibaum , den Baum der Erleuchtung, ein Nachkomme jenes ursprünglichen Feigenbaums, unter dem Buddha gesessen haben soll. Doch mit gemischten Gefühlen stelle ich fest, dass jetzt der ganze Platz zu einem von Gold glänzenden »Diamantenthron« ausgestaltet ist. Nach erneuter hinduistischer Herrschaft völlig verwahrlost, war er 1881 von einem birmanischen König großartig restauriert worden. Von der ursprünglichen Einfachheit dieses Ortes aber ist hier so wenig zu sehen wie an der Geburtsstätte Jesu in Betlehem.
Mit großen Mühen und nicht unerheblichem technischem, personellem und logistischem Aufwand drehen wir in Varanasi zunächst die Abschiedsszene des Prinzen Gautama. Jetzt filmen wir Bodhibaum und Diamantenthron, dann vor den Toren Varanasis den Gazellenhain von Sarnath , wo der Buddha seine ersten Gefolgsleute, fünf
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