Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)
konservative, ja nationalistische Sangha der thailändischen Mönche wollte 2007 bei der Niederschrift einer neuen Verfassung den Buddhismus als Nationalreligion festgeschrieben haben, was sich allerdings nicht durchsetzen konnte. Doch genießt der derzeitige König BHUMIBOL ADULYADEJ, RAMA IX. , eine beinahe göttliche Verehrung, ähnlich wie in manchen katholischen Kreisen der Papst. Und ein führender thailändischer Armeegeneral forderte noch 2013 Kritiker der thailändischen Monarchie auf, das Land zu verlassen und sich anderswo niederzulassen.
Doch unter den Mönchen lassen sich im Übrigen zwei Tendenzen unterscheiden: die einen, die abgehoben vom Volk der Welt entsagen und nur ihren religiösen Pflichten nachkommen wollen, und die anderen, die sich auch als Mönche sozial in der Gesellschaft engagieren und zum Beispiel den Bau von Schulen und Spitälern dem Bau weiterer Heiligtümer vorziehen.
Ich werde in Bangkok hervorragend betreut von Professor SERI PHONGPHIT , der in München Philosophie studiert hatte und mich in Tübingen besucht. Er begleitet mich mit seiner Assistentin und Marianne Saur – Frauen sind auch in diesem mönchischen Umfeld willkommen – auf der Autofahrt von Bangkok nach Süden zu einem der einflussreichsten buddhistischen Mönche des 20. Jahrhunderts: BUDDHADASA (1906 – 93), der in einem Waldkloster lebt. Als junger Mönch vom Ritualismus und den politischen Machenschaften in den Klöstern Bangkoks abgestoßen, hatte er sich in die Nähe seines Heimatdorfes zurückgezogen und dort 1932 das Waldkloster »Suan Mokkh« (Garten der Befreiung) gegründet.
Dort finden wir den berühmten Mönch auf einer Bank sitzend, offensichtlich freundlich nicht nur zu seinen Gefolgsleuten, sondern auch zu den Tieren: ein stolzer Hahn auf seiner Schulter und eine zärtliche Katze im Schoß, und unter der Bank Hunde. Gut 30 von diesen bellen uns allerdings nachts auf einem kleinen Hügel wütend an, als wir – glücklicherweise von zwei Polizisten auf Motorrädern begleitet – zu unserer Schlafhütte zurückkehren. Ein unbeschreiblicher Lärm und Gestank. Bei unseren Schlafhütten ist ein großer Teich mit üppig blühenden Lotosblumen. Die Lotosblume ist im Buddhismus bekanntlich das Symbol des über die Sinnenwelt erhabenen reinen Geistes, da sie trotz ihrer Wurzeln im Schlamm eine unbefleckt weiße Blüte bewahrt.
Buddhadasa (»Schüler des Buddha«) zeigt sich gegenüber allen anderen Religionen und erst recht gegenüber dem Christentum höchst tolerant. Er hatte sein Leben lang die buddhistischen Schriften studiert. Ihm geht es darum, zum ursprünglichen Buddhismus zurückzukehren. Einer seiner Lieblingssätze: »Tu Gutes, meide das Böse, reinige den Geist.« Den Geist reinigt man durch Meditation. Für ihn bedeutet die Lehre (»dhamma«) des Buddha, von Herzen, von der Mitte des Menschen her, wahrhaft menschlich zu sein. Und dies durch Selbsthilfe, konkret durch Selbsterkenntnis, Selbstvertrauen, Selbstkontrolle, Selbstbeherrschung, Selbstrespekt, um so selber zu einem Buddha zu werden. Dass dies nicht im Widerspruch zur klassischen buddhistischen Lehre von der Ichlosigkeit, dem Nicht-Ich (Sanskrit: »anatman«) des Menschen steht, hatte ich, wie auch das Verständnis anderer Lehren, bereits an der University of Michigan vom ausgezeichneten Buddhologen Professor LUIS GOMEZ gelernt; anderes, insbesondere was den Zen-Buddhismus betrifft, aus den Publikationen des Jesuiten HEINRICH DUMOULIN von der Sophia-Universität (Tokio).
Erneuerungsbestrebungen gibt es nicht nur bei den Mönchen, sondern auch in der Laienschaft. In Bangkok lerne ich einen der Väter des International Network of Engaged Buddhists (INEB), SULAK SIVARAKSA , kennen. In seinem Zentrum und seiner Organisation geht es darum, die Verständigung und Zusammenarbeit zwischen buddhistischen Ländern, Sekten und Gruppen zu fördern, die Lösungen so vieler Probleme in den verschiedenen Gemeinschaften, Gesellschaften und in der Welt voranzutreiben und die Perspektiven der engagierten Buddhisten zur Geltung zu bringen und Aktivisten auszubilden. Durch Sulak lerne ich später in Rangun Dr. KYAN THAN kennen, der in dem von einer Militärdiktatur beherrschten Birma einen ähnlich sozial aktiven Buddhismus vertritt. Erfreulich, dass Sulaks Neujahrgrüße 2013 ein hübsches Photo von seiner Begegnung mit der birmanischen Friedensnobelpreisträgerin AUNG SAN SUU KYI vom 17. August 2012 zeigen. Ein Bild der Hoffnung. Über ihren
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