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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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Gautama zu tun habe.
    Aber der Große Buddha (»Daibutsu«, mit 18   Metern Höhe die größte Bronzestatue der Welt) im Todaiji-Tempel in Nara ist gerade nicht, wie ich vermutet hatte, der irdische Buddha Gautama. Es ist vielmehr der überirdische Buddha, ein das Menschliche übersteigendes, transzendentes Wesen, vor dem es in früheren Zeitaltern sogar schon andere überweltlich-ewige Buddhas gab und nach dem noch ein anderer letzter Buddha kommen wird: der Buddha Maitreya, »der Lichtbuddha«, der die allumfassende Liebe verkörpern wird.
    Doch wie der Hinduismus, so wurde auch der Buddhismus unaufhaltsam mit der europäischen Moderne konfrontiert. Japans Hauptstadt war schon früh von Nara nach Kyoto verlegt worden, bis heute Japans spirituelles Herz mit rund 1000 buddhistischen Tempeln, neben 200   Shinto-Schreinen. Schon früh hatte sich der Buddhismus mit der japanischen Urreligion des Shinto und dessen Naturverehrung und Naturgöttern (»Kami«) verbunden. Der Buddhismus wurde »japanisiert« und zugleich die einheimische Shinto-Religion »buddhisiert«. Durch diesen Prozess entstand der spezifisch japanische Buddhismus , der die Voraussetzung bildete für den kulturellen Aufstieg Japans: Kunst, Architektur, Städtebau, staatliche Verwaltung.
    Doch Kyoto erfahre ich erneut als eine typisch moderne Millionenstadt, wo – anders als zuvor in Kandy (Sri Lanka), Rangun und Mandalay (Birma), Bangkok und Chiang Mai (Thailand) – im Straßenbild kaum noch Mönche zu finden sind. Dafür Handys, Leuchtreklamen, Massenverkehr und Hochhäuser. In der Meiji-Zeit (1868   –   1912) hatte die rasante Modernisierung Japans begonnen und zu einer starken Säkularisierung und Verwestlichung aller Lebensbereiche geführt. Natürlich blieben buddhistische »Inseln«: Wir filmen den wunderbaren Steingarten im Ryoanji-Tempel und betende Mönche im Myoshinji-Tempel und den Zen-Alltag im Tenryuji-Tempel, wo ich erneut auch einen Dialog mit dem berühmten Zen-Meister Hirata Roshi führen kann. Es geht um den Buddhismus, wie er heute gelebt werden soll.
    Erneut in Kyoto findet am 23. und 24. Oktober 1998 ein Internationales Forum statt, zu dem die große japanische Tageszeitung »Asahi Shimbun« eingeladen hat. Zur Thematik »In Search for a New Ethic Toward the 21 st Century« halte ich die »keynote speech«.
    Offenkundig hat sich im 20. Jahrhundert im Buddhismus eine Erneuerung vollzogen und einen modernen Buddhismus (Paradigma V) heraufgeführt. Die junge Generation Japans ist ja zweifellos bedroht durch eine neue Konzentration auf die materiellen Werte, die mit dem wirtschaftlichen Aufschwung gegeben ist. Erfreulicherweise ist die große Mehrheit der Japaner nicht gefährdet durch den Rückfall in eine reaktionäre Religion der Vergangenheit, einen erneut nationalistischen Shinto, wohl aber durch religionslosen Säkularismus, Materialismus und Konsumismus wie viele im Westen auch.
    Drei buddhistische Optionen
    Ich mache mit den drei Optionen Bekanntschaft, die der Buddhismus den modernen Japanern anbietet: Er kann sich konzentrieren – schematisch gesehen – entweder auf das »Meditieren« oder das »Rezitieren« oder das »Agieren«. Alle drei Strömungen werden repräsentiert durch große buddhistische Reformatoren besonders des 12. und 13. Jahrhunderts:
    Mir imponieren die Anhänger des Meditationsbuddhismus jener Zen-Meister, die religiöse Konzentration, Vereinfachung, Verinnerlichung und die unmittelbare Erfahrung des Herzens auf dem Weg der Meditation zu erreichen suchen.
    Mich beeindrucken aber auch die Anhänger des Glaubensbuddhismus , die in der modernen Gesellschaft die totale Eigenverantwortlichkeit des Zen-Buddhisten für sein Heil als eher unerträglich empfinden. In der gemeinsamen vertrauensvollen Anrufung des Buddha-Namens finden sie den für sie richtigen Weg: im Vertrauen auf eine »andere Kraft« – allein vom Glauben her, ganz auf das Versprechen des Buddha Amida hin, der für sie Erbarmen und Weisheit ausstrahlt. Sie feiern eine ausgedehnte Liturgie mit Lesung, Bekenntnis der Schuld und einem gesungenen »Nembutsu«: »Namu (Verehrung) Amida Butsu (Buddha)«. Doch sowohl an den Meditationsbuddhismus wie an den Glaubensbuddhismus wird oft die kritische Anfrage gestellt, wie sie sich denn zum Ethos verhalten, das doch weder bei der Meditation noch bei der Liturgie vergessen werden darf.
    Gerade das oft vernachlässigte Ethos wird betont durch den sozialpolitischen Buddhismus, der sich

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