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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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bekannten Hotel Victoria-Jungfrau sicher gelandet bin, hat mich am Schluss dann doch sehr erleichtert.
    Doch zurück zum Projekt Weltethos: Unterdessen war das Buch auch in Chicago gelesen worden, und der »Council« zur Vorbereitung des Parlaments der Weltreligionen entsendet schließlich am 27.   Februar 1992 seinen Executive Director, Dr.   DANIEL GÓMEZ IBÁÑEZ , nach Tübingen. Dieser hat den Auftrag, mich definitiv für den Entwurf einer Weltethos-Erklärung des Parlaments zu gewinnen, den ich in Tübingen abfassen soll. In Chicago denkt man an ein Papier von zwei bis drei Seiten. Aber mir ist von Anfang an klar, dass es damit nicht getan sein wird, will man nicht bloß einen unverbindlichen plakativen Appell liefern. Eine fundierte Erklärung freilich lässt sich nicht in ein paar Tagen oder Wochen niederschreiben. Wenn ich trotz anderer Belastungen doch die Zusage gebe, eine »Erklärung« für eine »Global Ethic« auszuarbeiten (nicht für »Global Values«, wie ursprünglich von Chicago vorgeschlagen), dann im Bewusstsein der Tatsache, dass mit dem »Parlament der Weltreligionen« dem Anliegen eines Weltethos eine ganz und gar einmalige Chance geboten wird, Beachtung zu finden. Diese gilt es nach Kräften zu nutzen.
    Mein Lehrprogramm für das Sommersemester 1992 stelle ich ganz auf diese Thematik um. Statt eines Seminars über die Postmoderne halte ich ein interdisziplinäres und interreligiöses Kolloquium über »Menschenrechte – Weltreligionen – Weltethos« . Auf meine mir freundschaftlich verbundenen Tübinger Kollegen, den Indologen HEINRICH VON STIETENCRON und den Islamisten JOSEF VAN ESS , mit denen ich schon die erwähnten Dialogvorlesungen über »Christentum und Weltreligionen« durchgeführt habe, kann ich mich auch diesmal verlassen. Zusammen mit Prof.   KARL-HEINZ POHL, dem schon oben genannten hervorragenden Sinologen, helfen sie mir, für dieses Kolloquium kompetente Gesprächspartner aus den anderen Religionen zu finden.
    Zugleich tragen die Kolloquiumsteilnehmer durch ihre eigenen wissenschaftlichen Beiträge vieles zur Klärung der entscheidenden Grundsatzfragen bei. Wichtig werden mir vor allem die Referate bedeutender Repräsentanten der anderen Religionen: die Beiträge des im Exil lebenden chinesischen Philosophen Prof.   LI ZEHOU und des führenden thailändischen Buddhisten und Sozialreformers SULAK SIVARAKSA , aber auch des Rabbiners Dr.   DANIEL KROCHMALNIK , der Hinduvertreterin Dr.  VASUDHA DALMIA , der Muslimin Dr.   ROSWITHA BADRY und des österreichischen Buddhisten ALOIS PAYER M. A. Für die Menschenrechtsfragen hören wir den Spezialisten Dr.  HEINER BIELEFELDT . Viel zu denken aber gibt mir die Frage des Stils der zu entwerfenden Weltethos-Erklärung.
    Was eine Weltethos-Erklärung nicht sein soll
    Ich habe im Lauf meines Lebens mehr als eine »Erklärung« entworfen. Aber für keine und für kein anderes Dutzend Seiten habe ich derartig viel Mühe aufwenden müssen wie für diese Weltethos-Erklärung. Was das literarische Genus betrifft, wird mir schon bald klar, was die Erklärung nicht sein soll:
    Keinesfalls soll sie eine »kasuistische Moralpredigt« sein, vorgetragen mit autoritärem Zeigefinger, und womöglich noch konzentriert auf die besonders in Kirchenkreisen beliebte Sexualmoral. Und sicher wird sie auch über keine der zwischen und in allen Religionen umstrittenen Fragen wie Empfängnisverhütung, Abtreibung, Homosexualität oder Euthanasie ein Urteil fällen können. Doch soll sie sich nicht scheuen, auch unbequeme Wahrheiten zu benennen und Forderungen wie etwa »Ehrfurcht vor dem Leben« ganz konkret auszusprechen.
    Ebenso wenig soll die Weltethos-Erklärung ein philosophischer Traktat sein. Es sollen ja nicht nur Intellektuelle oder Gebildete angesprochen werden, und auch nicht nur problematische Verallgemeinerungen und pragmatische Modelle formuliert werden, ob transzendental, utilitaristisch oder auch nur regional begründet. Selbstverständlich aber sollten alle Anregungen vonseiten der Philosophie aufgenommen werden. Die Erklärung sollte so formuliert sein, dass auch unreligiöse Humanisten, Agnostiker und Atheisten sie sich zu eigen machen können.
    Allerdings ist auch keine schwärmerisch-religiöse Proklamation anzustreben. Personen, die wirklich ein kosmisches Bewusstsein, globale Harmonie, geistige Kreativität, universale Einheit oder allumfassende Liebe zu realisieren versuchen, finden sich in ganz bestimmten Kreisen. Eine

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