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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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Wirtschaftsraum (EWR) aussprach. Die stattdessen verfolgte Politik bilateraler Verträge mit einzelnen EU-Staaten ist kein ausreichender Ersatz und die Verteidigung des Schweizer Bankgeheimnisses eher ein Fiasko. Andererseits haben seither manche negativen Entwicklungen in der Europäischen Union die europaskeptischen Tendenzen der Schweiz noch verstärkt, und neuerdings spricht man auch in Deutschland von einem »Sanierungsfall EU« (EU-Kommissar Günther Oettinger).
    Die kleine Schweiz im Herzen Europas bildet für Europa freilich ein relativ geringes Problem gegenüber der großen Herausforderung Mittelmeer . Diese wird auf einer Tagung der Bertelsmann Stiftung in Barcelona vom 7. bis 8.   Oktober 1991 thematisiert. Hochrangige Experten aus Europa und den muslimischen Anrainerstaaten des Mittelmeers behandeln politische, wirtschaftliche und kulturelle Aspekte des Themas. Ich selbst spreche gegen Ende der Tagung über »Kein politischer Friede ohne Religionsfrieden«. In der Presse wird positiv herausgestellt, dass ich Muslime, Christen und Juden dazu aufrief, sich auf ihre Gemeinsamkeiten zu besinnen, damit das »Mare nostrum« nicht zu einem tiefen Graben verkomme. Besonders anregend sind für mich die Gespräche mit Bertelsmann-Chefin LIZ MOHN , dem Politologen Prof.   WERNER WEIDENFELD und mit Dr.   JORDI PUJOL , der uns als Präsident der Region Katalonien in den Palast der Generalitat de Catalunya zum abendlichen Bankett eingeladen hatte.
    Auf dem Weg nach Barcelona hatte ich Gelegenheit, auf dem »Salon du livre« in Bordeaux die französische Ausgabe von »Projekt Weltethos« (»Projet d’éthique planétaire«, Éditions du Seuil) einem interessierten Publikum vorzustellen, aber auch an einem glänzenden Dîner der stolzen Stadt Bordeaux mit Leberpastete und Haut-Sauternes teilzunehmen.
    Auf dem Weg zum Zweiten Parlament der Weltreligionen (1993)
    Am 9./10.   März 1989 halte ich Vorträge an den Universitäten von Toronto und Chicago: »No peace among the nations without peace among the religions«. Im Vortrag in der Rockefeller Chapel der University of Chicago fordere ich die verantwortlichen Planer der Jahrhundertfeier des »Parliament of the World’s Religions« von 1893 auf, 100   Jahre später am selben Ort einen »neuen ethischen Konsens« der Religionen anzustreben. Mir ist nämlich zu Ohren gekommen, dass die finanzkräftige, aber mit dubiosen Methoden arbeitende koreanische Sekte »Unification Church« des Reverend Moon Interesse gezeigt hatte, den ganzen Kongress auszurichten und zu finanzieren.
    Zu meinem Leidwesen will sich die Divinity School der University of Chicago, wo ich im Wintersemester 1981 so reiche wissenschaftliche interreligiöse Erfahrungen als Gastprofessor machen konnte, in dieser Sache nicht engagieren; sie ist ihr »zu wenig akademisch«. Doch nach Tübingen zurückgekehrt, erhalte ich mit Datum vom 28. April 1989 vom damaligen Administrator des Council for a Parliament of the World’s Religions, RON KIDD , mit dem ich in Chicago gesprochen hatte, eine Einladung, zusammen mit einem Team für das Parlament den ersten Entwurf einer Erklärung zu einem gemeinsamen Ethos vorzulegen.
    Ich sage im Prinzip zu, doch lassen sich die nötigen Reisepläne nach Chicago und auch ein vorgesehenes Treffen in Washington anlässlich eines späteren Vortrags nicht realisieren. Im Jahre 1990 erscheint also mein Buch »Projekt Weltethos«. Darin sind all die Erfahrungen mit der Weltethos-Problematik vor allem bei der UNESCO und beim World Economic Forum in Davos eingeflossen, wo ich die Notwendigkeit eines Weltethos im Kontext der Weltreligionen und der Weltwirtschaft schon breit hatte diskutieren können.
    Über den Titel »Projekt Weltethos« habe ich erst relativ kurz vor der Drucklegung entschieden. In Analogie zu Weltpolitik, Weltwirtschaft, Weltfinanzsystem usw. hatte ich für religions- und kulturübergreifende ethische Basisstandards den Begriff Weltethos geprägt: »Weltethos« also nicht, wie von einzelnen Theologen binnenchristlich missverstanden, als Gegenbegriff etwa zu einem »Heilsethos«. Vielmehr in einem neuen, interreligiös-interkulturellen Sinn eines Menschheitsethos. Es sollte ausdrücken, dass Gläubige aller Religionen und Nichtgläubige in allen Kulturen etwas Gemeinsames haben. Wie schon im Buch »Existiert Gott?« 1978 in den Kapiteln über Grundvertrauen und Grundethos dargelegt: Man muss nicht unbedingt gottgläubig sein, um solche ethische Basisstandards zu

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