Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)
Bischofskollegium, im Dienst der ganzen Ökumene;
– der von den Bischöfen keinen blinden Gehorsam und Linientreue erwartet, sondern, in Verbindung mit dem Papst, Eigenverantwortung von ›guten Hirten‹, die sich im Geist Jesu Christi primär mit den Menschen ihrer Diözese und ihres Landes identifizieren.
In einem Wort, wählen Sie, liebe Mitbrüder, einen kollegialen Mit-Bischof . Denn: ›Einer sei euer Meister, ihr alle seid Brüder‹ (Mt 23,8).
(3) Ein frauenfreundlicher Seelsorger : Ihnen, sehr verehrte Kardinäle, ist seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil bewußt, daß eine effiziente Kirchenleitung die andere Hälfte der Menschheit, die weibliche, nicht als Kirchenmitglieder zweiter Klasse behandeln darf, die sich den Männern in stiller Unterordnung einfach zu fügen hätten.
Vorbei sind erfreulicherweise die Zeiten des Patriarchats, in denen die Frauen schweigend hinnahmen, daß männliche kirchliche Amtsträger ›ihr‹ Wesen und ›ihre‹ Rolle in Kirche und Gesellschaft zu definieren hätten. Sie bestimmen heutzutage als mündige Christinnen selber, worin sie ihre Aufgabe auch in der Kirche sehen. Selbst im Namen des Vatergottes und des Mannes Jesu läßt sich heute keine Männerherrschaft und Frauenunterdrückung in der Kirche mehr legitimieren.
Auch der große Marienverehrer Karol Wojtyła, der von manchen traditionellen katholischen Frauen bewundert wurde, stieß bei Millionen moderner Frauen auf energische Ablehnung, wenn er sie wegen Empfängnisverhütung zur ›Kultur des Todes‹ rechnete, wenn er andererseits Frauen wegen ihres Geschlechts als für höhere Weihen untauglich erklärte und wenn er dies gar als Gottes Willen und unfehlbare Lehre verkünden ließ. Unter seinem Pontifikat wurde es von immer weniger Frauen hingenommen, daß männliche Machthaber sie zu Befehlsempfängerinnen oder gar zu Objekten degradieren.
Deshalb meine dritte große Bitte an Sie, vorgetragen stellvertretend für ungezählte Frauen und Männer in unserer Kirche: Wählen Sie einen Papst,
– der Sexismus und Patriarchalismus in der Kirche und die Einteilung der Kirchenmitglieder in solche erster und zweiter Klasse ablehnt;
– der das Recht der Theologinnen und Theologen auf freie Meinungsäußerung gewährleistet;
– der bei komplexen Problemen wie Empfängnisverhütung, Abtreibung und Homosexualität auf moralisierende Verdikte verzichtet;
– der das Recht auf Ehe für Amtsträger, klar im Neuen Testament und in der Kirche des ersten Jahrtausends gewährleistet, respektiert und das erst aus dem 11. Jh. stammende diskriminierende Heiratsverbot für Priester überdenkt;
– der wiederverheiratete Geschiedene nicht auf Dauer unbarmherzig von der Teilnahme an der Mahlgemeinschaft fernhält;
– der das Recht der Ordensfrauen auf eigene Lebensgestaltung und Kleidung anerkennt;
– der die Ordination der Frau, wie sie sich vom Neuen Testament her für die heute veränderte Situation aufdrängt, gestattet;
– der die unselige Enzyklika ›Humanae Vitae‹ Pauls VI. über die Pille, die zahllose Katholikinnen ihrer Kirche entfremdet hat, korrigiert und die Selbstverantwortung der Partner für Geburtenkontrolle und Kinderzahl ausdrücklich anerkennt;
– der also die unterschiedlichen Fähigkeiten, Berufungen, Charismen in der Kirche ernstnimmt, die für den Aufbau einer partnerschaftlichen Gemeinschaft von Frauen und Männern wichtig sind.
Mit einem Wort: Wählen Sie, liebe Mitbrüder, einen frauenfreundlichen Papst . Denn: ›In Christus gibt es weder Mann noch Frau‹ (Gal 3,28).
(4) Ein ökumenischer Vermittler : Auch diejenigen unter Ihnen, verehrte Kardinäle, die aus mehrheitlich katholischen Ländern kommen, verstehen seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, daß sich auch die römisch-katholische Kirche nicht als ›alleinseligmachende‹, als die einzig wahre Kirche Jesu Christi über andere erheben darf. Und gewiß kennen auch Sie Katholikinnen und Katholiken, die nicht länger hinnehmen wollen, daß die Kirchen sich wegen bestimmter Lehrgegensätze ausgrenzen und Christen wegen anderer Konfessionszugehörigkeit sich bis in die Familie hinein gegenseitig diskriminieren.
Vorbei sind heute für viele Christen die Zeiten
– der konfessionellen Amtsanmaßung , die Amtshandlungen von protestantischen oder anglikanischen Pfarrern oder Pfarrerinnen (vor allem beim Abendmahl) für ungültig ansieht, die eine konfessionsverbindende Ehe als Vergehen und die aktive Teilnahme an einem
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