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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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gegenüber der sympathieträchtigen Pfarrerinitiative der weisen Zurückhaltung. Nicht so Bischof GERHARD LUDWIG MÜLLER von Regensburg, der die Initiative als »unchristlich« abqualifiziert und der katholischen Reformbewegung vorwirft, sie führe eine »parasitäre Existenz«. Ich war mit Bischof Müller nur einmal in der Talkshow von SABINE CHRISTIANSEN zum Tod von Papst Wojtyła und habe ihn dort so rasch zum Schweigen gebracht, dass er seiner Wut gegen bestimmte Theologen am folgenden Sonntag auf der Kanzel im Regensburger Dom freien Lauf ließ. Aber was tut Papst Ratzinger? Er ernennt ihn im Juni 2012 gegen den Rat vieler zum Präfekten der Glaubensinquisition, immerhin die vatikanische Nummer drei nach Papst und Kardinalstaatssekretär. Mein Kommentar in der Presse ist kurz: »Eine katastrophale Fehlbesetzung für alle, denen an einer zeitgemäßen Verkündigung der christlichen Botschaft gelegen ist. Müller – als Bischof unbeliebt, als Theologe ohne Relevanz, als Ökumene-Verantwortlicher eine Belastung, als Präfekt der Glaubenskongregation ist dieser bornierte Scharfmacher fehl am Platz. Offenbar hat Papst Benedikt nichts gelernt aus der auch in der Kurie kritisierten Fehlbesetzung des Staatssekretariats und anderer Schlüsselpositionen mit restaurativen Gesinnungsgenossen. Konflikte in der von Skandalen geschüttelten Kurie und römischen Kirche sind mit Müllers Ernennung vorprogrammiert.« In Regensburg aber freuen sich die meisten über den Wegzug von Bischof Müller nach Rom.
    Wie man als Bischof konstruktiver mit Reformgruppen umgehen kann, zeigt der Bischof von Rottenburg-Stuttgart, GEBHARD FÜRST , einer der aufgeschlossensten Bischöfe Deutschlands. Er führt von 2011 bis 2013 den von der Deutschen Bischofskonferenz allgemein beschlossenen (aber nicht in allen Diözesen aufgenommenen!) Dialogprozess konsequent durch. In dankenswerter Weise stellt er sich den sieben kirchlichen Reformgruppen in seiner Diözese zum Gespräch. Dennoch können die Gruppen in ihrem abschließenden Thesenpapier (Juni 2013) ihre Enttäuschung nicht verhehlen: »Wir sind enttäuscht, dass nach zwei Jahren intensiver Gespräche nicht wirklich von dringend notwendigen Umsetzungen von Reformen gesprochen werden kann, wenn auch bei einzelnen Themen … Neubewertungen vorgenommen und mögliche Veränderungen in Aussicht gestellt wurden.« Nicht akzeptabel finden die Gruppen den Einwand des Bischofs, die Zeit sei nicht reif für Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche, »weil wir in Deutschland nicht der Nabel der Welt sind«. Gleichberechtigung werde von allen Frauen in der Welt gefordert. Es helfe niemandem, wenn man sich in Deutschland zurückhalte. Die Gruppen werfen dem Bischof vor, er verwechsle die »Weltkirche« mit der Kirchenspitze im Vatikan. »Wir erwarten von unserem Bischof, dass er die drängenden Anliegen des Kirchenvolkes auf allen Ebenen kraftvoll vertritt und in und mit der Deutschen Bischofskonferenz auf eine Dezentralisierung unserer Kirche drängt.«
    Niedergang der katholischen Theologie?
    In den 1960er-Jahren hatte die katholische Theologie an deutschen Universitäten höchstes Ansehen genossen. Ich erinnere an die von Walter Jens 1968 herausgegebene Nummer der Tübinger Universitätszeitschrift »Attempto« (vgl. Bd. 1, Kap. IX: Joseph Ratzinger in Tübingen), in welcher gleichzeitig die evangelischen Theologen HERMANN DIEM und JÜRGEN MOLTMANN und die Katholiken JOSEPH RATZINGER und ich schrieben. Jens in der Einleitung voller Begeisterung: »Und dann, dieser Glücksfall! Ein Grundsatz-Artikel aus Ratzingers Feder, Fundament fortwirkender Überlegungen, daneben, kühn in die Lüfte steigend, eine Rakete, abgefeuert in helvetischen Marken, nun über Tübingen kreisend … und in der Redaktion die Frage auslösend: sollte der Papst kein Leser von ›Attempto‹ sein – wie können wir ihm unsere Zeitschrift zugänglich machen? Ein Dank den Theologen … ein solches Gunstgeschick erleben Redakteure nicht alle zehn Jahre!«
    Nach dem Konzil war das Theologiestudium auch für Laien attraktiv geworden, da Männer wie Frauen gute Berufschancen als Pastoralassistenten und Pastoralassistentinnen bekamen, die an kein Zölibatsgesetz gebunden waren. Die Aufbruchstimmung führt zu einem enormen Anstieg der Studentenzahlen, allerdings bei gleichzeitig starkem Rückgang der Priesteramtskandidaten.
    Aber in den 1970er-Jahren zeigt die Unfehlbarkeitsdebatte bereits die Grenzen der Freiheit in katholischer

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