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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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vielmehr geistlich getröstet und begleitet – in meinem Haus in Tübingen oder in Sursee. Von meinen engsten Kollegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern möchte ich gern in menschenwürdiger Weise Abschied nehmen. Später kann dann in der zuständigen katholischen Kirche eine frohe Dankesfeier mit dem Schlusslied »Nun danket alle Gott« stattfinden und die Beisetzung im Tübinger Stadtfriedhof, wo ich schon vor vielen Jahren ein Grab an der Seite von Walter und Inge Jens ausgesucht habe. Die Feier im Haus möge unter der Leitung von Dr. theol. Stephan Schlensog abgehalten werden. Und ich biete im Folgenden einige Meditationstexte an, die man bei dieser Gelegenheit je nach Situation benützen kann:
    »Voller Dankbarkeit für ein überreich beschenktes Leben und zugleich erfüllt von tiefer Sehnsucht, unendlicher Neugierde und unerschütterlicher Hoffnung trete ich diese meine letzte Reise an: heim zu meinem Gott, der mir ›alles in allem‹ (1 Kor 15,28) sein möge. Wenn ich nun die äußeren Beziehungen abbreche, dann gehe ich, so hoffe ich, nach innen in eine neue, uns verborgene Beziehung ein: ›Vita mutatur, non tollitur – das Leben wird verändert, nicht genommen‹. Ich glaube nicht an ein willkürliches Eingreifen Gottes gegen die Gesetze der Natur. Ich glaube an ein Auffangen durch den gnädigen Gott, wo die Natur aufgrund ihrer eigenen Gesetze an ein Ende gekommen ist. Kein Enden also, erst recht kein Verenden, sondern ein Vollenden.
    Als endliche Persongehe ich so ein ins Unendliche. Gehe einen letzten, entscheidenden, ganz anderen Gang, nicht ins Weltall, auch nicht über dieses hinaus, sondern hinein in das Innerste der Wirklichkeit. Einen Bereich jenseits der Empirie, wo sich jenseits des subatomaren Bereichs jene Dimension Unendlich auftut, die sich erst jetzt als die wirklichste Wirklichkeit erweisen wird. Nicht mit Begriffen ist sie zu erfassen, nur mit Bildern ist sie zu umschreiben: das Herz der Welt, ihr ewiger Urgrund, Urhalt und Urziel. Des Menschen unvergängliche Heimat, aus der ich komme und in die ich gehe. Dann erst erkenne ich, was die ›transzendente Wirklichkeit‹ wirklich ist. Lasst uns deshalb das Zeugnis des Apostels Paulus hören:
    ›Einst war ich ein Kind.
    Ich sprach wie ein Kind.
    Ich dachte wie ein Kind,
    ich machte kindliche Pläne.
    Als ich erwachsen war, legte ich die Kindheit ab.
    Heute ahne ich Gott, wie mein eigenes Gesicht
    im kupfernen Spiegel,fremd und rätselvoll.
    Morgen schaue ich ihn, nahe und klar,
    von Angesicht zu Angesicht.
    Heute ist Stückwerk, was ich verstehe,
    dann aber werde ich erkennen,
    wie Gott mich erkennt.‹ (1   Kor 13)
    Als glaubender Christ inspiriert mich die Botschaft von der Auferweckung Jesu Christi; sie hat ungezählten Menschen im Leben und Sterben Hoffnung auf ihr eigenes ewiges Leben gemacht. Aber heute wird sie von vielen Menschen nicht mehr verstanden; kleidete sie sich doch schon im Lauf der ersten Jahrzehnte in viele Legenden und Ausdeutungen, mit Unstimmigkeiten und Widersprüchlichkeiten. Doch sagt mir die Osterbotschaft in ihren so verschiedenen Varianten schlicht das eine: Jesus ist nicht ins Nichts hinein gestorben, sondern ist im Tod und aus dem Tod in jene unfassbare und umfassende letzte Wirklichkeit hineingestorben , von ihr aufgenommen worden, die wir mit dem Namen Gott bezeichnen. In Gott hinein ist Jesus gestorben, zu Gott, den er seinen und unseren Vater nannte, ist er gelangt. Eingegangen in jenen geistigen Bereich, der alle Vorstellungen übersteigt, den keines Menschen Auge je gesehen hat, meinem Zugreifen und Begreifen, Reflektieren und Phantasieren entzogen!
    Deshalb weiß ich als glaubender Christ: Wo ich mein Eschaton, das Allerletzte meines Lebens erreiche, da erwartet mich nicht das Nichts, sondern jenes Alles, das Gott ist. Tod ist Durchgang zur eigentlichen Heimat, ist Einkehr in Gottes Verborgenheit und des Menschen Herrlichkeit. Dass mit dem Tod alles aus sei, kann eigentlich nur ein Gottloser sagen. Für mich ist Glaube an mein ewiges Leben die Konsequenz aus dem Glauben an den ewigen Gott. Und zugleich ist dies für mich die Antwort auf die Frage der Gerechtigkeit : Ich kann und will mich nicht damit abfinden, dass ungezählte Menschen, die kein so gutes Leben führen konnten wie ich, keine Erfüllung finden sollen, dass die Unterdrückten und Geknechteten nicht schließlich doch zu ihrem Recht kommen und dass die Ausbeuter und Mörder für immer über die Ausgebeuteten und Ermordeten

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