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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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triumphieren. Nein, mich erfüllt die Hoffnung, dass Gott, nach den Worten des Propheten Jesaja und der Apokalypse, ihnen jede Träne von den Augen abwischt und der Tod nicht mehr sein wird: kein Leid, kein Geschrei und keine Mühsal mehr.
    Gerade in einer Stunde der Trauer und des Abschieds, die wir in Dankbarkeit feiern, dürfen wir neu Vertrauen fassen und daraus Kraft schöpfen, um auch die Zukunft, unsere je eigene Zukunft, zu bestehen und nicht allzu viel Angst vor dem Tod zu haben. Dankbar für alles, was der Sterbende für uns war und uns bedeutet. Zugleich verzeihend all das, wo er gefehlt und verletzt hat. Und schließlich hoffend auf den Frieden, der alle Vernunft übersteigt, auf die Freude, das Glück, die Seligkeit, die auch uns bereitet ist.«
    Dies alles schreibe ich im klaren Bewusstsein: Sollte ich mich doch getäuscht haben und ich nicht in Gottes ewiges Leben, sondern in ein Nichts hineinsterben, dann habe ich jedenfalls ein besseres und sinnvolleres Leben geführt als ohne diese Hoffnung.
    Am ehesten lässt sich diese Hoffnung in Musik ausdrücken. Ich wünsche mir Bachs »Jesus bleibet meine Freude«, gespielt vom genialen 33-jährigen, aber todkranken rumänischen Pianisten DINU LIPATTI als Zugabe zu seinem letzten öffentlichen Auftritt 1950 in Besançon. Und dann mögen alle gemeinsam das Gebet um die »Erlösung von allem Bösen« beten, wie Jesus uns zu Gott beten gelehrt hat: »Vater unser« .
    Mein Sterbegebet habe ich vom Einsiedler und Friedensstifter NIKLAUS VON FLÜE , dem Patron der Schweiz, übernommen und immer wieder gebetet:
    »Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir,
    was mich hindert zu Dir.

    Mein Herr und mein Gott, gib alles mir,
    was mich führet zu Dir.

    Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir
    und gib mich ganz zu eigen Dir.«
    Am Schluss möge das Adagio aus Mozarts letztem großen Orchesterwerk, dem Klarinettenkonzert KV 622, erklingen, das für mich schon immer »Spuren der Transzendenz« aufwies. Dann möge mir der Segen zugesprochen werden: »Der Herr segne dich und behüte dich; der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden« (Numeri 6,24   –   26). Schließlich soll nach dem zweiten Satz Mozarts auch noch der lebensfrohe dritte, Rondo/Allegro, erklingen zum Zeichen dafür, dass für alle Zurückbleibenden das Leben weitergeht. – Aber noch ist es nicht so weit.
    Zu allem bereit
    Ich bin kein Fatalist, glaube nicht an das Fatum, das blinde Schicksal, das Verhängnis, sondern an Gott, an Gottes und mein ewiges Leben. Und ich halte mir so alle Optionen offen, wirklich alle. Ich bleibe mir bewusst, dass mir jederzeit völlig Unerwartetes zustoßen kann: Böses, aber vielleicht auch Gutes. Ich bin im Wartestand.
    Auf meiner letzten Reise nach China vom 26. Oktober bis 3. November 2012 überrascht mich ein Angebot völlig. Es ist nach meinem Eröffnungsvortrag zum großen Beijing Forum am 2. November. Nach dem Mittagsbankett ist noch ein Gespräch mit dem Chairman des University Council, Professor ZHU SHANLU, angesagt, zugleich der mächtige für die Universität zuständige Parteisekretär. Er holt weit aus in seiner Beschreibung der Bedeutung der Peking-Universität, die noch weiter ausgebaut werden müsse: Die Stadt Peking hatte ihm schon einen Bauplatz für eine Art Dorf für Akademiker zur Verfügung gestellt. Und Zhu Shanlu bietet mir nun eine hochrangige Ehrenprofessur an, die mir in der Universität nicht zuletzt im Bezug auf das Weltethos-Institut einen erheblichen Einfluss sichern würde. Zum Angebot gehört auch ein neues Haus, das mir zur Verfügung stünde, wenn ich einen Teil des Jahres in Peking verbringen würde. Jetzt am Beginn einer neuen Periode der Volksrepublik China zweifellos eine sehr reizvolle Aufgabe; denn es ist zu erwarten, dass die im November 2012 neu gewählte Führungsriege, die 1989 zum Teil Sympathie für die Demokratiebewegung zeigte, sich doch mit der Zeit als aufgeklärter erweisen dürfte als ihre Vorgänger. Da ließen sich besser ethische Perspektiven ins Spiel bringen.
    Ja, wenn ich zehn Jahre jünger wäre … Und hätte ich nicht, abgesehen von allen anderen Mühen, großes Heimweh nach Tübingen und Sursee und meinen Lieben? Dem Weltethos-Institut in Peking bleibe ich natürlich verbunden. Und ich hoffe, dass das im »Agreement« (28. 10. 2012) von den verantwortlichen Akteuren (Universität Tübingen, Peking-Universität,

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